: Langfinger bei der EU
■ Rechnungshof entdeckt zu hohe Subventionen und Spesenabrechnungen
Straßburg (dpa/AFP) – Die EU-Länder haben im vergangenen Jahr etwa umgerechnet acht Milliarden Mark an EU-Haushaltsmitteln verschwendet. Von Mißwirtschaft und Schlamperei betroffen seien 5,3 Prozent des Haushaltsvolumens von 81,8 Milliarden Ecu (153 Milliarden Mark), sagte der Präsident des Rechnungshofes, Bernhard Friedmann, gestern vor dem Europaparlament in Straßburg.
Mehr als die Hälfte aller Unregelmäßigkeiten betrafen die Zolleinnahmen der EU. Um in den Genuß von Zollvorteilen zu kommen, habe beispielsweise ein Drittland angeblich dreimal soviel Orangen in die EU importiert, wie es produzierte. Immerhin: Insgesamt ist die EU-weite Geldverschwendung gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen. 1995 hatte sie sogar 5,9 Prozent des Haushaltsvolumens verschlungen.
Auf der Ausgabenseite wurden die meisten Gelder im Agrarbereich und bei den Strukturfonds verschwendet oder mangelhaft kontrolliert. Von den bereitgestellten Hilfsgeldern für Mittel- und Osteuropa wurden teilweise nur geringe Anteile vor Ort sinnvoll eingesetzt. So wurden von den 215 Millionen Ecu (423 Millionen Mark), die für den Wiederaufbau in Exjugoslawien bereitgestellt wurden, nur 1,3 Prozent ihrem Zweck entsprechend eingesetzt.
Im Bereich der Landwirtschaft kritisierte Friedmann überhöhte Ausgleichszahlungen für Getreide in Höhe von drei Milliarden Ecu (sechs Milliarden Mark) und 800 Millionen Ecu (1,5 Milliarden Mark) überhöhte Beihilfen für Rind- und Kalbfleischerzeuger. Auch die direkten Einkommensbeihilfen für Landwirte seien oft zu hoch. Und auch beim EU-Hilfsprogramm für kleine und mittlere Betriebe (KMU) wird viel Schindluder getrieben: Von 33 überprüften Unternehmen waren nur elf unabhängig; die anderen gehörten zu großen Konzernen.
In vielen Fällen gelingt es der Kommission laut Friedmann nicht, ihre Ansprüche auf Rückzahlung durchzusetzen, weil die Ermittlungen zu lange dauerten und die Unregelmäßigkeiten meist nach drei Jahren verjährt sind. „Nur bei nachgewiesener Betrugsabsicht gelten längere Verjährungsfristen.“
Deutliche Kritik übte der Rechnungshof schließlich an der Spesenpraxis der Europäischen Kommission. Der Rechnungshof hatte die Abrechnungen der Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialausschusses überprüft und festgestellt, daß 52 Prozent ungerechtfertigt waren. Auch Beamte bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit: Manche rechneten Tagesspesen für Sitzungen ab, an denen sie gar nicht teilnahmen.
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