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Russische Wunschmetropole New York

■ Sehnsucht, Verachtung und überhaupt die großen Gefühle: Das Staatstheater Stuttgart gastiert mit Nicolaj Koljadas Die Amerikanerin an der Einfachen Bühne

Ein altes Vorurteil besagt, daß die russische Literatur kein Happy-End kenne. Obwohl das vermutlich nicht stimmt, ist es keine große Überraschung, in einem russischen Theaterstück eine ordentliche Portion Melancholie zu finden. Die Amerikanerin von Nicolaj Koljada ist eines von diesen Stücken, die so richtig den Nerv des Theaterpublikums in Rußland treffen: komplett mit Trauer, Verzweiflung, Sehnsucht und überhaupt den ganz großen Gefühlen.

Als sie 1994 mit dem Monodrama in Jekaterinburg auftrat, haben die Zuschauer vor Rührung geweint, erzählt Karin Nennemann. Eine deutsche Schauspielerin, die eine russische Jüdin in New York spielt – das war in der Stadt am Ural eine Premiere, die für Aufsehen und Beifall sorgte. Gewichtig war auch der Anlaß: Die dortige Theaterakademie veranstaltete ein Festival zu Ehren ihres prominentesten Lehrers. Nicolaj Koljada, Jahrgang 1957, hat es binnen zehn Jahren auf über 40 Stücke gebracht und ist der zur Zeit meistgespielte Autor auf russischen Bühnen.

Hierzulande hat der Dramatiker keinen Shooting-Star-Bonus, und so wird sich Karin Nennemann bei ihrem Gastspiel auf der Einfachen Bühne auf das Stück selbst verlassen müssen. Das Thema hat sehr wohl ein melancholisches Potential: Es geht um eine Frau, der es nicht gelingt, die Fassung zu bewahren. Jelena Andrejewna ist Anfang fünfzig, lebt seit Jahren in der russischen Wunschmetropole New York und ist trotz aller Anstrengungen fremd geblieben.

Der Traum von der Freiheit in der Ferne hat nicht funktioniert, und doch wird er weiter zelebriert: An einem Abend macht sich Jelena Andrejewna für den Club fertig. Dabei versucht sie, einen imaginären Gast zu einem Zug durch die Gemeinde zu überreden. Die Amerikanerin ist eine Momentaufnahme aus dem Leben einer einsamen und zerrissenen Frau, erklärt Karin Nennemann. In die Sehnsucht nach den bunten Großstadtnächten mischt sich Verachtung, denn eigentlich kann sie Amerikaner nicht ausstehen.

Er finde es zum Kotzen, daß alle aus Rußland weg wollen, hat Koljada geschrieben. Der Himmel sei schließlich überall gleich. Nur das Futter nicht, meint seine Katze Manjura. Aber die lebt am Ural und weiß es nicht besser.

Barbora Paluskova

Donnerstag, 20. 11. und Do., 11. Dezember, 20 Uhr (die Vorstellung am 22. 11. entfällt)

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