Millionengeschäft mit Minen

Daimler, Diehl, Rheinmetall und Dynamit Nobel stellen auf Kosten der Steuerzahler Explosionskörper her und verdienen auch an der Beseitigung von Minen  ■ Von Annette Jensen

Gleichmäßig ratternd fährt das schwere Gefährt vorbei, fast unmerklich zittert der Boden. Die Mine ist aktiviert: 150 Meter fliegt sie in die Luft, dann geht ein Fallschirm auf, und das Gerät schwebt langsam in Richtung Boden. Eingebaute Sensoren orten das Ziel im Umkreis von 300 Metern, dann feuert die Mine punktgenau ihre Suchzündermunition ab. Später kann der Offizier seinem Vorgesetzten melden: Das feindliche Fahrzeug wurde ausgeschaltet.

Zwar versichert die Bundesregierung, daß Autos gefahrlos durch das verminte Gebiet fahren können. Doch ob das auch für 40-Tonner und Busse gilt, bezweifeln selbst Experten aus Militärkreisen.

310 Millionen Mark kostet die Entwicklung solcher Flächenverteidigungsminen aus dem Hause Rheinmetall die bundesdeutschen SteuerzahlerInnen. Im kommenden Jahr will Verteidigungsminister Volker Rühe dafür 13 Millionen Mark an die Firma in Ratingen bei Düsseldorf überweisen – genausoviel, wie die Bundesregierung im Haushaltsentwurf des Auswärtigen Amts für zivile Minenräumprogramme weltweit vorgesehen hat.

Auch bei weiteren Produkten vertraut die Bundesregierung auf den Werbespruch: „Mit Rheinmetall erhält die Kampfkraft eine neue Dimension.“ Fast 150 Millionen Mark kosten die 24 „Keiler“, die sich die Bundeswehr gewünscht hat. Diese umgebauten Kampfpanzer schlagen Schneisen in vermintes Gebiet, so daß die Truppe folgen kann. Bis zu 25 Zentimeter tief fräsen sich die Räumwerkzeuge durch den Boden und bewegen dabei innerhalb einer Viertelstunde bis zu 80 Lkw-Ladungen Erde. Für die zivile Minenräumung ist der „Keiler“, der eine Spur der Verwüstung hinter sich herzieht, nicht zu gebrauchen.

Dafür wurde der „Rhino“ entwickelt. Der soll Anfang kommenden Jahres in Kambodscha erprobt werden. Die Rechnung für den Transport zahlt das Auswärtige Amt: 450.000 Mark. Doch humanitäre Organisationen weisen darauf hin, daß allenfalls 20 Prozent des Geländes für den Einsatz solch schweren Geräts geeignet sind. Und um das Gebiet für die Zivilbevölkerung freigeben zu können, muß es anschließend noch einmal mit Sensoren durchsucht werden.

Gut im Geschäft in puncto Minen ist auch der größte deutsche Rüstungskonzern Daimler-Benz. Das Tochterunternehmen Dasa hat bereits 72 Millionen Mark vom Verteidigungsministerium für die Panzer-Abwehr-Richtmine 1 kassiert. Und im kommenden Jahr werden es noch einmal fast 23 Millionen Mark sein.

Bei dieser Mine handelt es sich um eine Art Panzerfaust, die von Hand aufgestellt werden muß, dann aber automatisch funktioniert. Das Gerät steht auf einem Dreibein und hat ein 40 Meter langes Lichtwellenkabel. Sobald ein Panzer darüberrollt, feuert die Mine ein Geschoß ab, das sich durch die Panzerwand hindurchfrißt und drinnen explodiert. Die Besatzung hat keine Überlebenschance.

12.000 Stück dieser Minen sollen in die Waffenkammern der Bundeswehr wandern, mit 1.000 Stück dürfen die Militärs üben. Doch weil der Auftrag ursprünglich wesentlich umfangreicher vereinbart war, sieht sich die Dasa zur Auslastung ihrer Kapazitäten nach neuen Absatzmärkten um. Auch aus diesem Grund gründete sie 1994 zusammen mit der französischen Rüstungsschmiede Thomson ein Joint-venture. Und seit vergangenem Jahr bemüht sich ein gemeinsames Tochterunternehmen von Dasa und Diehl mit Namen Euromunition, weltweit neue Kundschaft aufzuspüren.

Doch auch die Dasa versucht, von dem absehbar wachsenden Markt für zivile Minenräumung zu profitieren. Erst kürzlich erhielt das Subunternehmen Dornier zusammen mit Thomson einen EU- Auftrag über 20 Millionen Mark. Dafür soll eine Studie über die Ortung von Minen erstellt werden. Und gegenwärtig wird in Brüssel darüber verhandelt, ob es einen Anschlußauftrag für die Herstellung eines Prototyps gibt. Kostenpunkt: etwa 40 Millionen Mark.

Diehl ist der dritte Hauptlieferant der Bundeswehr im Minenbereich. Im kommenden Jahr sind über 13 Millionen Mark im Wehretat für Produkte aus dem Familienbetrieb vorgesehen. Die Minenräumleiter 80, die beim Tochterunternehmen Comet in Bremerhaven gefertigt wird, dient dazu, „die Vorwärtsbewegung der Truppen zu erhalten, Minensperren schnell und sicher zu durchschlagen und Flächen-Räumsysteme zu schützen“, heißt es in einer Werbeanzeige. Es handelt sich um eine Rakete, die eine 68 Meter lange Leiter aus einem Kasten zieht, bei deren Aufschlagen auf dem Boden die Minen explodieren. Auch dieses Gerät ist für zivile Minenräumung gänzlich ungeeignet: Der so durchs Gelände geschlagene Pfad verbrannter Erde ist nur 60 Zentimeter breit.

Diehl will ebenfalls mit ziviler Minenräumung Geld verdienen. Schon in diesem Jahr kassierte die Konzerntochter Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) eine Million Mark aus dem Topf des Auswärtigen Amts, in dem insgesamt nur 13 Millionen Mark drin waren. Dafür testet das Unternehmen seinen Minenräumpanzer „Minebreaker 2000“ im bosnischen Tuzla. Der umgebaute Leopard funktioniert ähnlich wie der „Rhino“ von Rheinmetall.

„Dynamit Nobel – Bei Minen die erste Adresse“ warb der zur Metallgesellschaft gehörende Betrieb vor ein paar Jahren in der Wehrtechnik. Doch weil der Großauftrag, der Bundeswehr über 1,2 Millionen Minen vom Typ AT-2 samt Fernverlegung zu liefern, inzwischen abgearbeitet ist, sind bis 1999 keine Mittel im Verteidigungshaushalt für Minentechnik aus Troisdorf ausgewiesen. Doch auch Dynamit Nobel sucht seine Kunden nicht mehr nur in Deutschland: Eine ganze Reihe Filialen und Beteiligungen produzieren Sprengstoff und Munition – weltweit.