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Willkommen im Hotel „Sozialamt“

Das Sozialamt Altona mit neuer Rezeption – ein umstrittenes Pilotprojekt  ■ Von Ralf Streck

Als Michael Münchschwander in der vergangenen Woche das Sozialamt Altona betrat, staunte er nicht schlecht. Das Amt, so besagte ein Aushang, sei wegen interner Umorganisation geschlossen. Zwei Wochen lang hatte der 40jährige vergeblich auf seine Stütze gewartet. Nun mußte er noch länger ausharren. Sein Besuch war umsonst. Diese Woche nun versuchte Münchschwander erneut, vorstellig zu werden. Doch der gewohnte Gang zum Sachbearbeiter wurde ihm verwehrt. Diesmal verhieß ein Aushang: „Neu: ab 17.11.1997! Vorsprachen nur noch nach Termin!“Den gibt es in der neuen „Rezeption“. Der Kommentar eines Besuchers: „Bin ich hier etwa im Hotel?“

Seit Anfang der Woche drängeln sich hier SozialhilfeempfängerInnen, „um sich zu ihrem Sachbearbeiter durchzukämpfen“, beschreibt Katja Klüß die Situation. Die junge Frau begleitet ihre Freundin ins Sozialamt. Von der Rezeptionsregelung hält sie nicht viel. Eine Privatsphäre gebe es nicht mehr: „Vor versammelter Mannschaft sollst du nun 'nen Offenbarungseid leisten.“

Auch die Beschäftigten sind nicht gerade angetan von der Neuregelung. An der Rezeption sitzen ehemalige Sachbearbeiter. „Deren Fälle stapeln sich jetzt auf unseren Schreibtischen“, klagt ein verbliebener „Fallmanager“, der namentlich nicht genannt werden will. „Wir kommen nicht mal mehr dazu, unsere Post zu bearbeiten.“

Beabsichtigt sei mit der Neuregelung, „das Sozialamt bürgerfreundlicher zu gestalten“, erklärt dagegen Rolf Begemann, Altonas Sozialdezernent. Wartezeiten sollen künftig vermieden werden, indem die Rezeption schon im Vorfeld klärt, ob alle formalen Voraussetzungen erfüllt sind. Früher sei es vorgekommen, daß jemand erst einmal drei Stunden lang gewartet habe, nur um dann von seinem Sachbearbeiter darüber aufgeklärt zu werden, daß er sich zunächst arbeitslos melden muß, bevor er den Antrag auf Sozialhilfe stellen kann.

„Das klingt zwar alles ganz modern“, sagt die sozialpolitische Sprecherin der GAL, Anna Bruns, befürchtet aber, „daß sich dahinter eine Wagenburgmentalität versteckt, um die Leute abzuwimmeln“. Ein Sozialamt sei schließlich „keine Briefkastenfirma, sondern ein Servicebetrieb.“Besonders für Nichtdeutsche mit Sprachproblemen könnten nun Hürden entstehen.

Altona mit seiner Rezeption ist ein Pilotprojekt, bestätigt Jürgen Broede, Amtsleiter des Senatsamts für Bezirksangelegenheiten. „Wir befinden uns bezirksübergreifend im Gespräch, um aus den gemachten Erfahrungen gemeinsam Konsequenzen zu ziehen.“Nächstes Jahr soll sich entscheiden, ob auch andere Sozialämter das Modell übernehmen.

Auch in der Ortsdienststelle St. Pauli sorgt diese Woche eine Schließung für Unmut unter den SozialhilfeempfängerInnen. Seit Montag wird hier nur noch ein Notdienst aufrechterhalten. Wer kein dringendes Anliegen hat, wird schon an der Eingangstür von einem Sicherheitsdienst abgewimmelt.

Der Grund für diese Einschränkungen sei keine Umorganisation wie in Altona, erklärt Ute Florian, zuständige Sozialdezernentin im Bezirk Mitte. „Die Posteingänge sind extrem hoch.“Mehrere Mitarbeiter seien zudem krank. Da benötige man schon mal eine Woche, um die Rückstände aufzuarbeiten. Ab kommenden Montag soll es dann wieder normal weitergehen.

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