: Rebellische Studenten
■ Die Proteste an Hochschulen gehen weiter. Mit Mißtrauen reagieren Studentenvertreter auf das Lob der Bildungspolitiker für ihre Aktionen
Berlin (taz) – Der Druck der Studentenproteste gegen Kürzungen an den Hochschulen zeigt erste Wirkungen. Bildungspolitiker der verschiedenen Parteien solidarisierten sich gestern mit den streikenden Studenten in Bonn, Berlin und Köln. Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) erklärte, die Studierenden hätten „handfeste Forderungen“, die sich nicht vom Tisch wischen ließen. Sie wollten „nicht die Weltrevolution, sondern bessere Studienbedingungen“.
Angesichts leerer Kassen sei es zwar zwar nicht redlich, jetzt den Universitäten „ein neues Füllhorn von Fördermitteln zu versprechen“, so Rüttgers. Weitere Kürzungen bei den Bildungsetats, wie in einigen Ländern vorgesehen, lehne er aber ab. Explizit unterstützt der Bildungsminister die studentische Forderung nach einer sozialverträglichen Reform des Bafögs.
Auch Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) aus Nordrhein-Westfalen unterstütze die Proteste. Studienreform und -finanzierung gehörten ihrer Ansicht an die Spitze der politischen Tagesordnung. Die SPD halte die Forderungen der Studenten nach einem gebührenfreien Studium und einer Bafög-Reform für gerechtfertigt.
Auch der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Hartmut Schiedermair, begrüßte die Proteste gegen die „katastrophalen Studienbedingungen“. Die Studierenden hätten die „Sympathie und Unterstützung der Professoren“, sagte Schiedermair, dessen Organisation 16.500 Universitätsprofessoren vertritt.
Auf studentischer Seite zeigt man sich allerdings skeptisch gegenüber solcherlei Solidaritätsbekundungen. „Diese Befriedungspolitik kennen wir bereits“, sagte gestern Ulrike Gonzales aus dem Vorstand des fzs, der bundesweiten Dachorganisation der Studenten. Während der letzten großen Uni-Proteste 1988/89 habe man versucht, durch solches „Bonbon- Verteilen“ die Bewegung zu schwächen. „Diesmal geben wir uns nicht so schnell zufrieden“, so Gonzales.
Entschieden wehrt sich der Dachverband gegen die Vereinnahmungsversuche von seiten der Politiker. „Eine Bafög-Reform, die den Studenten Geld gibt, damit diese Studiengebühren bezahlen können, ist mit uns nicht zu haben“, so Gonzales.
Unterdessen gehen die Proteste an den Universitäten weiter. In Berlin wollen alle drei Universitäten ab Dienstag nächster Woche in einen zunächst befristeten Streik treten. Am Mittwoch wird eine zentrale Demonstration in der Hauptstadt stattfinden. An der Universität Bonn, wo die Studenten seit zwei Tagen streiken, wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die ihre Ergebnisse Anfang nächster Woche vorstellen werden. Die Stimmung an der Universität in Bonn beschreibt Frank Schehrer, ein Sprecher der dortigen Studentenvertretung, als „enthusiastisch“. Die protestierenden Studenten seien so engagiert, daß man „sie kaum dazu bewegen kann, mal ein paar Stunden zu schlafen“. Beim Allgemeinen Studentenausschuß (Asta) in Bonn ist man optimistisch, daß die Protestwelle nicht so schnell verebbt.
Am Donnerstag werden die Studenten der Bonner und Kölner Hochschulen gemeinsam in Bonn protestieren. Weitere Kundgebungen sind für den 4. Dezember in den Landeshauptstädten von Nordrhein-Westfalen und dem Saarland geplant. Noel Rademacher
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