: Klarer Fall von Bremer „Selbsthilfe“
■ Gelder veruntreut? Verein pleite? / Drogenprojekt „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“in der Krise
Die ca. 50 hauptamtlichen Mitarbeiter des Vereins „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“, der als Träger für diverse Drogenhilfe-Projekte fungiert, haben eine schwere Betriebsversammlung vor sich: es steht schlecht um die Finanzen. Als erstes soll das Weihnachtsgeld gestrichen werden, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen diverser Betrugsvorwürfe (vgl. taz vom 14.11.), und die Sozialbehörde will keine neuen Anträge der Bremer Hilfe mehr genehmigen. „Keine Anträge auf Wiederbesetzung vakanter Stellen“sollen beschieden werden, solange die Vorwürfe doppelt abgerechneter Personalkosten nicht geklärt sind, steht in einem internen Vermerk der Sozialbehörde; keine Gespräche mit dem Verein, solange die Staatsanwaltschaft ermittelt, doppelte und dreifach skeptische Prüfung neuer Projekt-Anträge. Im vergangenen Jahr hatte der Verein seine Liquidität dadurch sichern können, daß er den Geschäftssitz – das Haus Schmidtstraße 34 – verkaufte. Wie es nun einmal mit dem Tafelsilber ist, entstehen dafür nun in diesem Jahr ca. 60.000 Mark an Mietkosten.
Als der Trägerverein „Hilfe zur Selbsthilfe“gegründet wurde, standen viele prominente sozialdemokratische Namen auf der Mitgliederliste: Lothar Koring, Bürgerschaftsabgeordneter, Reinhold Stiering, auch MdBBü, Hans Leppin, Sozialamtsleiter und so weiter. Aber der Vereinsvorsitzende Volker Tegeler-Doliwa, hauptberuflich Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt in Bremerhaven, hatte es bald geschafft, viele gegen sich aufzubringen. Den großen Knatsch gab es 1995, als Tegeler mit 400.000 Mark von der Aktion Sorgenkind winkte und dafür die Drogenhilfe im Bremer Westen auf seine „Hilfe zur Selbsthilfe“übertragen bekommen haben wollte. Mit Briefen an die SPD-Genossen „Liebe Bringfriede“und „Lieber Hans-Christoph“(Hopppensack) versuchte Tegeler, an der Behörde vorbei seine SPD-Kontakte spielen zu lassen. Die Sache ging schief, die Fachbehörde kritisierte die undurchschaubare „Verschachtelung“des Vereins „Bremer Hilfe“und auch die fehlende Kooperationsbereitschaft. „Dieser Träger zeigt durch die Art seines Vorgehens, daß er wichtige Voraussetzungen für die Übernahme einer so verantwortungsvollen Aufgabe offensichtlich nicht besitzt“, heißt es in einem internen Vermerk 1995. Tegeler verwechsle „schöpferische Dynamik mit Rücksichtslosigkeit“. Da helfe auch ein „fetter Köder“von 400.000 Mark nichts, der auf der „liebe Bringfriede-Welle“angeschwommen komme.
Trotz des Widerstandes einiger SPD-Parlamentarier strich die Behörde „wegen nicht erkennbarer Aufgabenstellung“auch einen Zuschuß von jährlich 100.000 Mark für das „Stadtteilbüro Gröpelingen“, in dem u.a. die SPD-Abgeordnete Helga Janssen mit halber Stelle arbeitet.
War es damals das Problem, daß Tegeler mit großem Geschick, aber „ohne vorweisbare Kompetenz“, so ein Behördenprotokoll, Geld eingeworben hatte und damit Forderungen verknüpfte, so ermittelt die Behörde seit acht Wochen zu einer anderen Seite der „Rücksichtslosigkeit“des Vereins und seines Vorsitzenden: In mehreren Fällen hat der Verein für ein Projekt doppelt Gelder beantragt oder sich Dinge finanzieren lassen, die dann nicht stattfanden.
Zum Beispiel läßt sich das Projekt „Ambulante Ganztagsbetreuung“jährlich 32.728 Mark Mietkosten für das Haus in der Carl-Schurz- Straße 10 in Schwachhausen von der Sozialbehörde erstatten. Für zwei MitarbeiterInnen, wie in der Sozialbehörde jetzt aufgrund der Prüfung auffiel. In einem Projekt-Bericht steht derweil, stellten die Kontrolleure fest, daß der wesentliche Teil der „Ambulanten Betreuung“nicht in der Carl-Schurz-Straße 10, sondern in der „Regenbogendruckerei“des Vereins bei den drei Pfählen stattfinde. „Meines Erachtens liegt hier ein Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung im Sinne von § 263 StGB vor“, steht in dem Kontrollbericht der Behörde.
Die „Regenbogendruckerei“– Leiterin: Gabriele Tegeler-Doliwa – hat ihr Domizil für monatlich DM 1.800,- angemietet; als Vermieter fungiert das „Ferienhaus Kramelheide“. Aber auch dieses Projekt gehört zum Verein Bremer Hilfe. Unterzeichnet hat den Mietvertrag am 15.1.1997 für den Vermieter Klaus Dyck. „Nicht leserlich“sei, fand nun die Behörde, wer für den Mieter unterschrieben hat. Klaus Dyck jedenfalls ist der langjährige Geschäftsführer des Vereins Bremer Hilfe. „Der Vertrag hat ganz offensichtlich den Charakter eines Scheingeschäftes“, stellt die Behörde fest.
Wenige Tage, nachdem die Recherchen der Behörde begonnen hatten, teilte der Verein mit, daß eine Mitarbeiterin für den „Kontacta Bus“, deren Personalkosten dem Bildungssenator in Rechnung gestellt werden, „versehentlich“auch dem Sozialsenator in Rechnung gestellt wurden. Dieses Phänomen der doppelten Personalkostenabrechnung hat es aber nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Sozialbehörde auch früher schon und öfter gegeben: Das Stadtteilbüro hat für „Stellen, die in anderen Projekten ebenfalls zuwendungsfinanziert gewesen sind“, gleichzeitig bei der Aktion Sorgenkind Zuschüsse beantragt und bekommen. Und dann sind da die Druckmaschinen, die mit Geldern des Senators für Arbeit finanziert wurden und wo die Frage geprüft wird, ob die „tatsächlich beschafft worden sind“.
Klar ist für die senatorische Behörde dabei: Mittel, die zu Unrecht in den Verein und seine Projekte geflossen sind, werden zurückgefordert. Wenn die in die Hunderttausende gehen, dürfte die „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“das kaum überleben. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen