: Kein Gewehr mit Käpt'n Blaubär
■ Produkte zu Sendungen gehen so gut, daß es nun Sendungen wegen des Produkteverkaufs gibt
15 Milliarden Mark können Kindern und Jugendlichen pro Jahr ausgeben. Außerdem beeinflussen sie familiäre Kaufentscheidungen in Höhe von 35 Milliarden Mark. Kein Wunder, daß die Industrie gern mit Reizen lockt, die den „Kids“ geläufig sind und an der Popularität von Figuren aus dem Kinderalltag zu partizipieren sucht. Das gilt insbesondere für die Nahrungsmittelindustrie, denn die Supermarktregale sind voll mit gleichwertigen Produkten.
Thomas Haffa, Gründer und Geschäftsführer von EM-Entertainment (mit Disney in Deutschland Marktführer), erklärt die Spielregeln: „Gegen Gebühr erwirbt ein Lizenzunternehmer Verwertungsrechte an einem urheberrechtlich geschützten Lizenzthema. Indem er diesen Sympathieträger für seine Produkte einsetzt, bietet er den Käufern einen emotionalen Mehrwert. Durch den Image-Transfer profiliert er sich im Wettbewerb.“
Geschätzte sechs Milliarden Markt setzen die Verkäufer solcher Merchandisingartikel im Jahr bei den Verbrauchern um. Vermarkter und Vermarktete sind vom wechselseitigen Nutzen des Geschäfts überzeugt.
Die Lizenzen von Fernsehfiguren eignen sich vor allem deshalb so gut, weil sie meist langlebig sind. Mit Käpt'n Blaubär, dem König des Seemannsgarns, besitzt die Ravensburger Film+TV eine Schlüsselfigur. Aber nicht für alles wird der Käpt'n verkauft, sagt Geschäftsführer Peter Hille: Tabu seien „der gesamte Billigbereich, alle Rausch- und Suchtmittel sowie alle Artikel, die mit Gewaltanwendung zusammenhängen“. Also kein Gewehr mit Käpt'n Blaubär.
Keine Berührungsängste hat Ravensburger hingegen mit der Mineralölindustrie. Da gibt Käpt'n- Blaubär-Verkehrstips bei Aral. Auch andere Produkte mit dem Bären gibt es an der Tanke. Walter Moers, den Vater des Bären, erzürnt diese konzertierte Aktion zwar, doch er ist machtlos: Er hat die Rechte vor Jahren an Ravensburger verkauft. Dafür hält er sich am Kleinen Arschloch schadlos: Die Produkte mit dieser Figur hat Moers zum Teil selbst entworfen. Nur sein Traum vom handgeknüpften Perserteppich, den das freche kleine Arschloch ziert, wird sich nie erfüllen.
Die berühmte WDR-Maus will Siegmund Grewenig nicht mal auf einem Joghurtbecher sehen. Grewenig leitet die Merchandising-abteilung der WDR-Werbetochter WWF. Die Maus ist die Frontfigur des WDR, weshalb man bei der Rechtevermarktung sehr sensibel ist. „Kein Nikotin, kein Alkohol, keine Waffen, keine Medikamente“ – das ist Grewenigs Vetoliste. Und kein Joghurt, weil die Maus nur langlebige Produkte zieren soll. Auch andere Sender vermarkten ihre TV-Figuren mittlerweile selbst. Sat.1 zum Beispiel setzte 1996 mit Produkten wie „Kommissar Rex“ als Plüschtier 635 Millionen Mark um.
„Tabaluga tivi“ verdankt seine Existenz nicht nur der Tatsache, daß sich die Figur vermarkten läßt. Doch daß zeitgleich zum Sendestart Spielzeug, Computerspiel, Comics und Videokassette zu einer Serie erhältlich sind, ist längst Alltag. Anders, glaubt Thomas Haffa, könne man heutzutage gar nicht mehr produzieren, schließlich verschlinge eine halbstündige Serienfolge mittlerweile Produktionskosten von bis zu einer Million Mark.
„Tabaluga“ ist für Haffa daher „ein Musterbeispiel für eine strategische Allianz in Sachen Marketing“. In Zukunft wil EM die potentielle Kundschaft ganz direkt ansprechen: Man strebt die Beteiligung an einem Kindersender an. Tilmann P. Gangloff
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