: Jähzorn, Prügel, Mord: Aber Winnie lacht
Die Opfer von Winnie Madikizela-Mandela sagen vor Südafrikas Wahrheitskommission aus ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler
In den Morgenstunden stehen die Schaulustigen Spalier. Es sind professionelle Schaulustige: fast 300 Journalisten aus aller Welt, die auf den Beginn des größten Rummels seit Südafrikas ersten freien Wahlen warten. Unerwartet von allen kann das Ereignis fast pünktlich beginnen. Kurz nach neun Uhr sind die geladenen Zeugen erschienen – und die Hauptperson: Winnie Madikizela-Mandela, gekleidet in ein damenhaftes blau- weiß geblümtes Kleid.
Auch ihre Töchter Zindzi und Zenani sind da. In dem nicht sonderlich großen Saal in einem Sozialzentrum in Johannesburg herrscht gespannte Erwartung. Erstmals sitzt die ehemalige „Mutter der Nation“ denen gegenüber, die schwere Vorwürfe gegen sie und ihre einstige Leibgarde erheben: Mord, Entführung, Beihilfe zum Mord, Körperverletzung.
Erstmals seit seinem Verschwinden ist einer der Hauptangeklagten im bislang einzigen Prozeß gegen Winnie Mandela öffentlich zu sehen. Katiza Cebekhulu, flankiert von Leibwächtern, flog am Sonntag aus England nach Südafrika ein. In dem vor kurzem erschienenen Buch des britischen Journalisten Fred Bridgland – auch er ist anwesend – behauptet Katiza Cebekhulu, daß Winnie Mandela den Jugendlichen Stompie Seipei Anfang 1989 eigenhändig umgebracht hat. Cebekhulur soll am zweiten Tag aussagen.
Trotz aller Spannung verläuft der Anfang zäh. Allzu viele verworrene Details werden ausgebreitet, so scheint es. Doch schon nach drei Fällen, nach nur wenigen Stunden, ergibt sich ein Muster, eine Struktur. Die, gegen die Winnie Mandela vorging, waren meist Menschen, die sie bewunderten und gut kannten. Unberechenbarkeit, Jähzorn, Machtstreben tauchen immer wieder als Motive auf.
Eine junge Frau schildert, wie sie von Winnie Mandela persönlich angegriffen und verprügelt wurde. Ihr Vergehen: ihr Freund war Mitglied des Clubs und einer der zahllosen Liebhaber von Frau Mandela, hatte jedoch zugleich eine Affäre mit Phumlile Dlamini. Die war während der Angriffe im dritten Monat schwanger. Ihr heute fast neunjähriges Kind ist zurückgeblieben. Die Mutter führt das auf die Vorfälle von damals zurück. Wenig später wurde ihr Bruder umgebracht, von Sizwe Sithole, dem damaligen Freund von Zindzi. Sithole wiederum kam wenig später unter bis heute nicht geklärten Umständen in Polizeigewahrsam um.
Die Vorwürfe sind zum Teil haarsträubend und wollen sich nicht ins Bild der „Mutter der Nation“ fügen. Winnie Madikizela- Mandela, wie sie seit der Scheidung von Nelson Mandela heißt, verfolgt die Tränenausbrüche der Zeugen unbewegt. Ihr Gesichtsausdruck verrät allenfalls Selbstsicherheit. Manchmal lacht sie während der Beschuldigungen.
Winnie selbst wird erst Ende der Woche aussagen, doch ihr Anwalt Ismail Semenya darf die Zeugen ins Kreuzverhör nehmen. Seine Taktik wird schnell offensichtlich: Die Zeugen werden als unzuverlässige Lügner dargestellt, die sich „Hirngespinste“ ausgedacht haben. Winnie Mandela hingegen wird zur Wohltäterin stilisiert, die den Mitgliedern des Fußball-Clubs sogar die Schulgelder bezahlte.
Caroline Sono weint im Zuschauerraum, als Semenya nahelegt, ihr Sohn Lolo könne wirklich ein Spitzel gewesen sein. Nico Sono, ihr Mann, bleibt währenddessen bei seiner Aussage. Zum letzten Mal gesehen hat er seinen Sohn am 13. November 1988, in einem VW-Bus, in dem Winnie Mandela saß und erklärte, er sei ein Spion. Lolo und ein Freund waren schwer verletzt. Sie wurden nie wiedergesehen, gegen Winnie wurde nie ermittelt. Phumlile Dlamini unterstellt Semenya gar, die Behinderungen ihres Kindes kämen von einem Herzfehler der Mutter.
Diese Art von Suggestionen gehen auch Desmond Tutu zu weit. Immer wieder rügt er Semenya, die Anhörung nicht mit einer Gerichtsverhandlung zu verwechseln und den Schmerz der Opfer zu respektieren. Genau das nicht zu tun macht allerdings einen Teil der Selbstsicherheit Winnie Mandelas aus. Denn Anklage erheben kann die südafrikanische Wahrheitskommission nicht. Das können nur die Gerichte. Und ein Problem der Wahrheitsfindung ist in der Tat, daß viele der Zeugen bereits mehrmals gelogen haben, andere unauffindbar oder ermordet sind.
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