piwik no script img

Rassistische Zungenschläge

Uni legt Bericht zur Humanbiologie vor. Streit zwischen Uni-Präsidenten und Wissenschaftssenatorin Krista Sager programmiert  ■ Von Marco Carini

Das Papier sollte die Wogen glätten – es tat das Gegenteil. Nachdem der Akademische Senat vor wenigen Tagen einen Bericht der uniinternen Arbeitsgruppe zur Forschung und Lehre im Institut für Humanbiologie abgenickt hat, ist der Konflikt um rassistische Zungenschläge in der umstrittenen Hochschuleinrichtung erst voll entbrannt. „Wenn sich die Wissenschaftssenatorin am Freitag mit dem Unipräsidenten, Herrn Lüthje erstmals zusammensetzt, wird das Thema sein“, läßt Frauke Hamann, Sprecherin der von Krista Sager geleiteten Behörde, durchblicken.

Auch wenn sich Sager gestern nicht aus der Deckung begab und zu keiner Stellungnahme bereit war, ist klar, daß sie und Lüthje in der Bewertung des umstrittenen Institutes nicht auf gleicher Linie liegen. In der Wissenschaftsbehörde wird der Arbeitsgruppenbericht, der unter Lüthjes Leitung entstand, hinter vorgehaltener Hand vor allem als Beweis der „Loyalität“des Uni-Präses gegenüber dem Hochschulinstitut abklassifiziert.

Nachdem die Kritik der studentischen „AG gegen Rassenkunde“an dem Institut für Schlagzeilen gesorgt hatte, sah sich die Uni-Spitze genötigt, Anfang des Jahres eine Arbeitsgruppe zu den Aktivitäten der Humanbiologen einzurichten. Vor allem Institutsleiter Rainer Knußmann war von den StudentInnen vorgeworfen worden, rassistische Inhalte zu verbreiten.

Zudem hätte Knußmann Schwule und Lesben diskriminiert, indem er Homosexualität als abweichendes Verhalten bezeichnete, daß zum „Sittenverfall“beigetragen habe, kritisieren die Studierenden. Weitere „Highlights“aus dem Schaffen des Humanbiologen: Er lehrte, daß Kriminelle „überdurchschnittlich häufig eine niedrige, fliehende Stirn“besäßen und bewertete die Judenverfolgung als „Selektion auf optimale Leistung“.

Der jetzt vorliegende Arbeitsgruppenbericht „versucht die Debatte unter den Teppich zu kehren, indem er solche Inhalte zu begrifflichen Mißverständnissen erklärt und sprachliche Kosmetik empfielt“, klagt Jakob Michelsen von der „AG gegen Rassenkunde“. Tatsächlich meint die Kommission, daß die „Vorwürfe des Rassismus, Antisemitismus und Biologismus nicht begründet“seien.

Das Gremium begrüßt, daß eine Lehrveranstaltung zur „Rassenkunde des Menschen“in „Geographische Variabilität des Menschen“umbenannt wurde und empfiehlt, den Rassebegriff doch von nun an bitte „mit der erforderlichen Sorgfalt“zu verwenden. Ansonsten aber müsse „der Meinungsstreit“um die Verwendung des „umstrittenen“Begriffs „Rasse“auch zukünftig „in wissenschaftlicher Freiheit ausgetragen werden“.

Für die Medizin-Soziologin Heidrun Kaupen-Haas ist es „in bezug auf unsere Geschichte unglaublich“, daß beim Thema Rasse „mit der wissenschaftlichen Freiheit argumentiert wird“. Die Arbeitsgruppe vergesse, daß gerade dieses Argument den Nazis als Begründung für ihre Rassenpolitik gedient habe. Eine eindeutige Meinung zum Kommissions-Bericht hat auch der Kriminologie-Professor Fritz Sack: „Eine Universitätsleitung, die in einem solchen Konflikt das Nest sauber halten will, bereitet ungewollt den Boden, aus dem auch der Rassismus sprießt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen