: Wer ist „schuld an der Vulkan-Pleite“?
■ Geschichte des Bremer Vulkan heute abend als Fernsehfilm: Schöne Bilder, spannende Details und eine offene Titel-Frage
„Er brauchte einfach Geld“. Auf diese kurze Formel reduziert Conrad-Michael Clement, früher Wirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, den Aufstieg des Bremer Vulkan-Werftverbundes zu einem Kartenhaus „Weltkonzern“. Doch in dem neuen ARD-Film „Gesucht wird die Schuld an der Vulkan-Pleite“, wird diese einfache Sicht nicht einfach stehengelassen: Vor allem die kantige und energische Figur des früheren Bremer Arbeitssenators und späteren Vulkan-Aufsichtsrates setzt den Kontrapunkt: Er redet von den Arbeitern, um deren Jobs es ja ging, und brüllt in die Kamera: Da sei ja wohl eine richtige Politik gemacht worden, er übernehme gern die Verantwortung dafür.
Im Rahmen der 45minütigen Kurzfassung der Vulkan-Geschichte haben die Autoren Wilfried Huismann und Klaus Schlösser an einzelnen Stellen neue spannende Details ausgegraben. Der frühere Prokurist der Volkswerft Stralsund, Horst Grützmacher, bestätigt etwa vor laufender Kamera, daß die Ostwerft schon 1993 – also bevor die Ostgelder in die „gemeinsame Kasse“(Cash-Concentration) im Westen flossen – Millionenbeträge in den Westen überweisen mußte. Einmal 60 Millionen für Konstruktionspläne, „die niemand bestellt hat“, einmal ein paar Millionen für die „St. John Shipping Company“auf der englischen Kanal-Insel Jersey, die sich beim Reporter-Besuch als Briefkastenfirma entpuppt. Erst Ende 1994 gab Treuhand-Chefin Birgit Breuel bei einem persönlichen Besuch auf der Werft und nach einem Gespräch mit Hennemann grünes Licht für das legale Cash-Concentration.
Eine andere Pikanterie: EU-Kommissar Martin Bangemann, von dem bislang nur seine freundschaftlichen Kontakte zu Vulkan-Chef Friedrich Hennemann bekannt waren, hat für sich und Segelfreunde ein 40 Meter langes Schiff bauen lassen. Wie die Sitten eben so sind, war die Luxus-Yacht durchaus Thema in den Herrenkreisen, der Bauleiter war ein Mitarbeiter des Vulkan-Konzerns und durfte sogar einmal mit Hennemann und Bangemann fürstlich zu Mittag speisen. Wie die Sitten so sind, schrieb der Vulkan eine Rechnung von 294.000 Mark, die bis heute nicht bezahlt wurde, sagt der frühere Prokurist Grützmacher. 1996 wurde die Forderung sogar zu 50 Prozent abgeschrieben. Zufall?
Nicht nur in der EU hatte der Vulkan eine gute Lobby, auch bei der Treuhand. So weiß Grützmacher zu erzählen, daß einmal der seitens der Treuhand zuständige Vulkan-Controller Gerald Utikal die Volkswerft drängte, statt der vom Wirtschaftsprüfer festgestellten 470 Millionen Mark Ausgaben für eine Ost-Investition insgesamt 590 Millionen anzugeben – der Verdacht liegt auf der Hand, daß die Treuhand selbst Spill-over-Berichte, die die korrekte Verwendung der Treuhand-Gelder für Ost-Investitionen belegen sollten, zu schönen suchte.
Insgesamt können solche Details aber die Frage, wer „schuld an der Vulkan-Pleite...“war, nicht beantworten. Der Sozialdemokrat Claus Grobecker, der zusammen mit der Arbeitnehmerbank die Mehrheit im Aufsichtsrat hatte und die Vorbesprechungen dieser Gruppe konsequent „Politbüro“nennt, kommt zwar vor. Die Frage nach der Verantwortung der Arbeitnehmerbank, auf die sich Hennemann immer stützte, wird nicht gestellt. Ohne diese Arbeitnehmer-Macht im Aufsichtsrat, die die Ablösung Hennemanns durch den früheren Atlas-Elektronik-Chef Karl Triebold verhinderte, ist aber nicht zu verstehen, warum die Liquiditätskrise im Sommer 1995 nicht in aller Stille gelöst wurde, sondern durch eine gezielte Indiskretion über den Weser Kurier von außen zugespitzt wurde, was zum Kurssturz und in die Abwärtsspirale führte. So bleibt als unausgesprochene Antwort auf die aufgeworfene Frage jene These stehen, die Bank habe in ihrer Machtfülle den Konzern weggewischt und die Rettungsversuche des Bremer Senats nur zynisch benutzt, ihre Kredite abzusichern.
Der Film ist sehenswert und diskussionswürdig . K.W.
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