: EU-Minister machen Menschen-Gene patentierbar
■ Ministerrat billigt die Richtlinie für die Patentierung von entdeckten Codes des Erbguts von Menschen, Tieren und Pflanzen – nur die Niederlande stimmten gegen den Entwurf
Brüssel (taz) – Die Forschung an menschlichen Genen wird für die europäische Pharmaindustrie bald lukrativer. Der Ministerrat der EU hat gestern in Brüssel beschlossen, daß „biotechnologische Erfindungen“ künftig durch Patente geschützt werden können. 20 Jahre lang kann der Inhaber eines solchen Patents, in der Regel Pharmakonzerne, seine Forschungsergebnisse allein verwerten.
Um diese Richtlinie war acht Jahre lang gestritten worden. Doch seit das Europaparlament vor vier Monaten überraschend einknickte, war die Sache im Grunde gelaufen. „Die Lobbyinteressen der Biotechindustrie haben sich durchgesetzt“, klagte die Franktionschefin der Grünen, Claudia Roth. Die Zustimmung des Ministerrats, in dem die 15 Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind, war von vornherein zu erwarten. Nur die Niederlande stimmten gegen den Entwurf. Andere Regierungen verpackten ihre Bedenken in unverbindliche Zusatzerklärungen.
Der deutsche Vertreter im Ministerrat, Wirtschaftsstaatssekretär Lorenz Schomerus, lobte die Entscheidung sogar als Quantensprung für den Biotechindustrie in Europa. Zwar muß die leicht veränderte Richtlinie im Frühjahr noch einmal vom EU-Parlament abgesegnet werden. Eine Formsache, denn die Abgeordneten können nicht mehr hinter ihren Beschluß vom Juni zurück.
Noch vor zwei Jahren hatte das Europaparlament einen ähnlichen Entwurf aus ethischen Gründen abgelehnt. Die Entdeckung von Zellen könnten nicht als Erfindung gelten, meinte damals eine Mehrheit der Abgeordneten. Doch nach einigen Änderungen ließen sich vor allem die Sozialdemokraten von den Warnungen der Pharmaindustrie beeindrucken, daß ohne Patentschutz die Forschung noch stärker in die USA abwandern würde. Das Parlament setzte immerhin durch, daß das Klonen von Menschen, die Forschung an Embryonen und Eingriffe in die menschliche Keimbahn vom Patentschutz ausdrücklich ausgenommen wird. Außerdem müssen Forscher ein Paket von Neuerungen vorweisen, um ein EU-Patent zu erhalten. Die bloße Entdeckung eines Gens, seiner Struktur und seiner Wirkung reicht nicht aus. Vielmehr muß der Forscher das Gen isolieren und vervielfältigen können sowie den gewerblichen Nutzen nachweisen.
Die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer sieht in der Richtlinie dennoch einen Dammbruch bei der „Kommerzialisierung des menschlichen Körpers“. Die Patente würden die Verbreitung medizinischer Forschung eher behindern als fördern. Nach Ansicht einiger Wissenschaftler würde es reichen, nicht die Zellen selbst, sondern nur die Verfahren zu ihrer Gewinnung und Verwertung zu patentieren. Alois Berger
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