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Billardstuben allein reichen nicht

■ In Hamburg-Hamm bietet ein Projekt der Arbeiterwohlfahrt Roma-Jugendlichen erstmals Berufsorientierung und Arbeit

Was sie machen würden, wenn sie woanders wären? „Scheiße bauen.“Und hier? „Bauen wir keine Scheiße.“Viktor sagt das kategorisch. Er und die anderen sechs Jungen aus dem Karoviertel kommen jeden Tag nach Hamm in Hamburgs Osten, um im Jugend- und Bildungswerk der Arbeiterwohlfahrt Metallarbeiten zu lernen: schweißen, fräsen, und was zum Mechanikersein so dazugehört.

Daß sie kommen, und zwar jeden Morgen, ist eine kleine Sensation, oder, nach den Worten von Schulprojektleiter Werner Schneider, ein „unglaublicher Erfolg“. Die sieben Jungen, fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, waren seine Schüler an der Carsten-Rehder-Förderschule in St. Pauli. Schneider möchte ihnen den Einstieg in einen Beruf verschaffen, obwohl der deutsche Staat genau das eigentlich verhindern will: Schneiders Schützlinge sind in Deutschland geborene „serbische Roma“. Obwohl viele ihrer Eltern über 20 Jahre im Schlachthof, der ans Karoviertel grenzt, gearbeitet haben, bekommen die Kinder hier statt einer Aufenthaltserlaubnis allenfalls eine Duldung und damit auch kein Arbeitsrecht.

„Auch in den sozialen Projekten und Maßnahmen findet ein Verdrängungswettbewerb statt“, erklärt Schneider, „und es sind die Roma-Jugendlichen, die als erste durchs Netz fallen.“Oft fallen sie tief – wie schwierig es ist, die Jungen davon abzuhalten, zu dealen, zu stehlen oder mit waffenschweren Männlichkeitsritualen sich und anderen das Leben schwer zu machen, davon können Karoviertel-BewohnerInnen und SozialarbeiterInnen manches Lied singen.

„Freizeitpädagogik reicht nicht – den Jugendlichen muß mehr geboten werden als Billardspielen“, konstatiert auch Reinhard Thomsen, Projektleiter bei der AWO. Er hat zusammen mit Schneider im August dieses Jahres Hamburgs erstes und einziges „Arbeits- und Berufsorientierungs-Projekt“für Roma-Jugendliche aus der Taufe gehoben. Das – vorerst halbjährige – Pilotprojekt wird von der Schulbehörde gesponsert; die Teilnehmer bekommen ein Taschengeld. Wenn die Behörde „mitmacht“, so hoffen Thomsen und Schneider, sollen ab Februar auch andere Jugendliche mit verschiedenen ethnischen Hintergründen zum Projekt hinzukommen. Schneiders Traumziel ist es, die Jugendlichen im Karoviertel an Abriß-, Sanierungs-, Gartenbau- und ähnlichen Arbeiten teilnehmen zu lassen.

Die Aussicht, Geld zu verdienen, beschwingt die Vorstellungen der Jungen allerdings derart, daß sie sich bereits als Firmengründer sehen: „Wenn ich hier mein Diplom mache, kann ich alles werden“, behauptet Goran. „Wenn sie in Jugoslawien Fabriken bauen, dann gehen wir auch dahin“, sagt Vojkan; vorläufig will er jedoch in Hamburg Schlosser werden.

Um auf den Punkt zu bringen, wie gerne er arbeiten und Geld verdienen will, sagt Dragan: „Wir sind doch schon halbe Deutsche.“Auf seine andere Hälfte hin befragt, greift er plötzlich ganz tief in die Kiste mit Zigeuner-Folklore: „Die Zigeuner haben einen der vier Nägel geklaut, mit denen Jesus ans Kreuz genagelt war. Da hat Gott gesagt, daß sie von da an immer stehlen müßten.“Alle am Tisch lachen – die Geschichten, warum sie angeblich so sind, wie sie sind, glauben sie, so scheint's, lange nicht mehr.

„Integration“lautet das Zauberwort zum Thema. „Nur über die Jugendlichen ist der Zugang zur Selbstverwaltung der Roma zu bekommen“, sagt Schneider. „Wenn wir es nicht schaffen, ihnen passende Beschäftigungs-Angebote zu machen, werden sie wie ihre Eltern – unbeteiligt und sozialhilfeabhängig.“ Ulrike Winkelmann

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