piwik no script img

Ein Schritt weiter zum Polizeistaat

■ InnenpolitikerInnen von CDU und SPD einigen sich auf eine Verschärfung des Polizeigesetzes: "Verdachtsunabhängige Kontrollen" sollen gesetzlich legitimiert werden. SPD-Fraktion ringt noch mit sich: "Das

Die Polizei soll künftig Menschen an Flughäfen, Bahnhöfen, Ausfallstraßen nach Brandenburg und anderen Straßen ohne einen begründeten Anfangsverdacht kontrollieren dürfen. Auf diese „verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen“ haben sich jetzt die InnenpolitikerInnen von CDU und SPD in einem Gesetzentwurf geeinigt. Im Klartext heißt das: Polizeikontrollen sind immer und überall möglich. Berlin würde damit den Ländern Bayern, Baden- Württemberg, Sachsen und Thüringen folgen, die ihre Polizeigesetze schon in ähnlicher Weise verschärft haben.

„Früher wollten wir das nicht, aber der Druck wird immer größer“, begründte Heidemarie Fischer, SPD-Innenpolitikerin, ihre Zustimmung. Dieser Druck kam vor allem aus der CDU. Deren innenpolitischer Sprecher, Dieter Hapel, hatte bereits vor einem Jahr den nun vereinbarten Gesetzentwurf vorgelegt. Danach soll das Polizeigesetz (ASOG) dahin gehend verändert werden, daß Polizeikontrollen jenseits von Straftatverdacht oder den sogenannten gefährlichen Orten durchgeführt werden dürfen. Bisher gestattet das ASOG diese vorbeugende Verbrechensbekämpfung nur eingeschränkt. Es darf nur an den „gefährlichen Orten“, bei gefährdeten Objekten und an polizeilich eingerichteten Kontrollstellen überprüft werden. Jenseits dieser Bereiche muß ein konkreter Tatverdacht vorliegen, um Personen zu durchsuchen oder ihre Personalien zu überprüfen. Bei einfachen Verkehrskontrollen darf die Polizei Personen und Fahrzeuge weder durchsuchen noch Personalien aufnehmen. Laut Gewerkschaft der Polizei geschieht dies dennoch, man benötige dafür endlich eine gesetzliche Grundlage.

„Die Zustimmung zu den Vorschlägen der CDU fällt uns schwer“, betont SPD-Frau Fischer, „das Thema wird häufig mit einem Polizeistaat in Verbindung gebracht“. Trotzdem könne man sich dem nicht generell verschließen. Noch vor einem halben Jahr hatte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Georg Lorenz, gesagt: „Die SPD-Fraktion ist grundsätzlich nicht geneigt, solchen Plänen nachzugeben.“

In der Fraktion ist die Verschärfung des Polizeigesetzes tatsächlich noch keine beschlossene Sache. Bisher gebe es noch keine abschließende Meinung, sagte Sprecher Peter Stadtmüller, „da es sich hier um ein Politikum handelt“.

Jetzt wird verhandelt. Die Innenverwaltung soll laut Fischer einen modifizierten Entwurf vorlegen. Die SPD verspricht sich davon eine weniger scharfe Variante. Die CDU dagegen hat die generelle Möglichkeit für verdachtsunabhängige Kontrollen längst beschlossen. Sie drängt auf einen Beschluß, obwohl die Differenzen mit der SPD in dieser Frage weit zurückreichen. Bereits 1995 hatte die SPD-Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit die Regelung abgelehnt, weil „der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit dagegen spricht, verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für widerrechtliche Handlungen vorliegen“. Barbara Junge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen