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Ein erstes Treffen nach jahrelangem Schweigen

■ Diehl-Sohn will in Tel Aviv ehemalige Zwangsarbeiterinnen seines Vaters besuchen

Nürnberg (taz) – Betriebsamkeit herrscht in der Familie Diehl, nachdem – wie berichtet – ehemalige KZ-Häftlingsfrauen den Seniorchef des Rüstungskonzerns, Karl Diehl, für Mißhandlungen, Demütigungen und Selektionen in der Diehl-Produktionsstätte in einem Außenlager des KZs Groß-Rosen verantwortlich gemacht haben. Der älteste Sohn, Werner Diehl (51), der auch im Verwaltungsrat des Familienunternehmens sitzt, will sich morgen mit ehemaligen Zwangsarbeiterinnen in Tel Aviv treffen. Eile scheint geboten, denn am kommenden Mittwoch erhält sein Bruder Thomas (46), Vorstand der Geschäftsführung der Diehl-GmbH, das Bundesverdientskreuz am Bande, und eine Woche später diskutiert der Nürnberger Stadtrat über die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde für Senior Karl Diehl.

Im vergangenen März hatte der Nürnberger Stadtrat mit den Stimmen von CSU, „Republikanern“, Freien Wählern und FDP beschlossen, den 90jährigen Seniorchef des Unternehmens, das mit knapp 13.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,7 Milliarden Mark erzielt, zum Ehrenbürger der Stadt zu machen. Schon damals gab es Hinweise auf die Verwicklungen von Diehl in der NS-Zeit, schließlich hatte Karl Diehl 1938 die Leitung der Firma übernommen und zu einer wichtigen Waffenschmiede des NS-Regimes ausgebaut. Nach und nach wurde bekannt, daß Diehl auch Produktionsstätten in den KZs Stutthof, Flossenbürg und Groß-Rosen unterhielt. In einer knappen Pressemitteilung ließ Diehl verlauten, seine Firma sei „Zwangsmaßnahmen des NS-Regimes“ unterworfen gewesen, ein „schuldhaftes Verhalten“ läge nicht vor.

Als nun neun zumeist in Israel lebende Frauen über ihre Torturen, die sie als KZ-Häftlinge bei Diehl erlitten, berichteten, kam Bewegung in die Sache. Die Bündnisgrünen stellten im Stadtrat einen Antrag auf Aberkennung der Ehrenbürgerwürde, und auch SPD, FDP und die IG Metall forderten Diehl auf, detailliert Stellung zu beziehen. Doch Karl Diehl schwieg, und die Firmenpressestelle sprach von einer „verleumderischen“ Kampagne mit dem Ziel, „die Lebensleistung einer hochverdienten Unternehmerpersönlichkeit zu verunglimpfen“. Schließlich versuchte Karl Diehl, mit einem offenen Brief die Wogen zu glätten. Er beauftragte einen Historiker, die Rolle seiner Firma während der NS-Zeit zu untersuchen, und bedauerte es „zutiefst“, falls Menschen in seinen Betrieben „Leid widerfahren“ sei. Gleichzeitig gab er sich aber als Opfer des NS-Regimes aus und stellte es dem Stadtrat „anheim“, über seine „Ehrenbürgerwürde zu befinden“.

Im Vorfeld dieser Stadtratsdebatte und der Ordensverleihung an den jüngsten Sohn will man im Hause Diehl die Angelegenheit klären. „Vielleicht entschuldigt er sich, vielleicht bietet er uns auch eine Entschädigung an, ich kann nur spekulieren“, kommentiert die 64jährige Hela Wolfowicz-Kantor aus Israel den anstehenden Besuch von Werner Diehl in Tel Aviv. Sie verweist auf einen Briefwechsel von 1989, als die Diehl-Geschäftsführung Entschädigungsforderungen von Zwangsarbeiterinnen barsch zurückgewiesen hatte. Die 66jährige Helene Wolf lehnt Einzelgespräche mit Diehl strikt ab. Sie plädiert für einen Fonds, aus dem alle Diehl-ZwangsarbeiterInnen entschädigt werden sollten. Bernd Siegler

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