Lange Haftstrafen für zwei Neonazis

Ein Polterabend von Neonazis endete mit zwei Toten. Die beiden Berliner Täter hatten ihre „Kameraden“ nach einem banalen Streit erstochen. Es ging um die Frage, wann die rechtsextreme FAP verboten wurde  ■ Aus Berlin Gunnar Leue

Lutz Schillok muß für 14 Jahre ins Gefängnis, Detlef Nolde für zwei Jahre und sechs Monate. Das Landgericht Berlin befand die beiden Neonazis aus Berlin gestern für schuldig, vor sieben Monaten zwei rechte Gesinnungsgenossen nach einem Streit ermordet zu haben.

Am 16. April hatte Mike Penkert, der Anführer der rechtsradikalen „Kameradschaft Beusselkiez“ aus Berlin seine „Kameraden“ aus Ost und West zu einem Polterabend geladen. Dort waren sowohl die beiden Verurteilten wie auch insgesamt fünf Leute aus Wittenberg zu Gast. Kurz nach zwei Uhr in der Nacht stiegen die beiden Täter zu den Wittenbergern ins Auto. Schillock und Nolde baten, ein paar Meter mitgenommen zu werden. Sie zwängten sich zu Chris Danney und Olaf Schmidtke von der „Kameradschaft Wittenberg“ auf die Rückbank. Nach kurzer Fahrt, am Adlergestell im Südosten Berlins, kam es zu einer Streiterei. Es ging um die Frage, wann genau die rechtsextreme FAP seinerzeit verboten wurde. An einer roten Ampel stiegen die Streitenden aus dem Wagen, und eine Rangelei begann. In deren Folge hatte Nolde Reizgas in die Augen der beiden Wittenberger gesprüht und einen von ihnen an den Armen festgehalten, worauf Schillok dem jungen Mann mit einem Messer direkt ins Herz stach. Gleich danach stach er auch dem Freund des Opfers ins Herz. Als der zu Boden fiel, rief er: „Hier, du Schwein“ und stach ihm in den Rücken. Danney und Schmidtke starben auf der Stelle. Schillok und Nolde flohen zu Fuß zum nahe gelegenen S-Bahnhof, wo sie kurze Zeit darauf von der Polizei gestellt und verhaftet wurden.

Bei der Schilderung des Geschehens und der Urteilsbegründung des Richters zeigten sich gestern beiden Angeklagten äußerlich sehr ruhig. Während der bullige Schillok eher gelangweilt reagierte, war Nolde offenbar doch überrascht über das hohe Strafmaß, das er im Anschluß als „nicht gerecht“ bezeichnete. Er sei unschuldig und hätte aus Notwehr gehandelt, weil sein Kumpel angegriffen worden sei. An einer Rangelei habe er sich überhaupt nicht beteiligt.

Daß Nolde bei einer früheren Vernehmung bereits ein Teilgeständnis abgelegt hatte – er gab unter anderem das Sprühen von Reizgas zu –, begründete er mit „psychischem Druck“ von seiten der Ermittlungsbeamten. Man habe ihm Worte in den Mund gelegt und letztlich zu einer „Falschaussage genötigt“.

Dies mochte ihm der Richter jedoch nicht glauben, genausowenig wie die Erinnerungslücken, die beide Angeklagten über den Tathergang offenbarten. Zu der Einschätzung trug wohl bei, daß Nolde wegen Schlägereien bereits hinlänglich vorbestraft ist. Daß er sich insbesondere auf eine Nothilfesituation berief, mochte der Richter ohnehin nicht akzeptieren, da beide Streitparteien körperlich gleich stark gewesen seien. „Je schwerer der Tatvorwurf“, erkannte der Richter, „desto größer wurde offenbar der Filmriß bei beiden Angeklagten.“ Die hatten sich auch auf ihre absolute Trunkenheit berufen. Doch Schillok hatte bei seiner Verhaftung sogar erstaunlich geistesgegenwärtig die Polizisten darauf hingewiesen, doch bitte eine Alkoholkontrolle bei ihm vorzunehmen.

Trotz des festgestellten Alkoholwerts von 2,4 Promille sprach der Richter Lutz Schillok des Totschlags in zwei Fällen für schuldig. Zwar nicht aus politischen Motiven, sondern aus Verärgerung, aber mit direktem Tötungsvorsatz, wehalb er 14 Jahre Haft bekam. Der nicht in U-Haft sitzende Nolde erhielt die zweieinhalb Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung.

Mit dem Straßmaß schloß sich die Kammer dem Plädoyer der Staatsanwältin an. Sie hatte für Schillok wegen Totschlags unter Alkoholeinfluß in zwei Fällen 14 Jahre gefordert und für Detlef Nolde zwei Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung. Die drei Verteidiger plädierten auf Notwehr und forderten Freispruch für Nolde. Bei Schillok sahen sie im Höchstfall eine Körperverletzung mit Todesfolge als gegeben an. Sie forderten eine Strafe, die mit der siebenmonatigen Untersuchungshaft beglichen werden sollte.

Die als Nebenklägerin aufgetretene Mutter des getöteten Chris Danney sagte nach der Verhandlung, vor allem das Urteil für Nolde sei „zu milde“ ausgefallen. Schließlich habe er die Opfer erst kampfunfähig gemacht. Trotzdem spüre sie keinen Haß, sondern mehr „Enttäuschung“, daß das Gesetz bei Vergehen im Alkoholrausch scheinbar geringere Strafen vorsehe: „Das wissen doch viele Täter im voraus.“ Ob der Fall für sie als Nebenklägerin juristisch erledigt ist, bleibt abzuwarten. Im Gerichtssaal dachte Detlef Nolde jedenfalls schon mal laut über eine Revision des Urteils nach.