■ Streit um den Blutsonntag von Derry: Irlands Regierung droht London mit Offenheit
Dublin (taz) – Zwischen den Regierungen in Irland und Großbritannien herrscht dicke Luft: Der irische Premierminister Bertie Ahern hat angedroht, einen Untersuchungsbericht über den Blutsonntag von Derry zu veröffentlichen. Am 30. Januar 1972 hatte eine britische Fallschirmjägereinheit das Feuer auf eine Bürgerrechtsdemonstration im nordirischen Derry eröffnet und 14 unbewaffnete Demonstranten erschossen. Die anschließende britische Untersuchung ergab, daß die Soldaten sich in einer Notwehrsituation befunden und daher rechtmäßig gehandelt hätten.
Seitdem sind jedoch zahlreiche Beweise – darunter die Aussagen beteiligter Soldaten – aufgetaucht, die die Notwehrthese eindeutig widerlegen. Die irische Regierung hatte im Juni die Unterlagen nach London geschickt und eine neue Untersuchung gefordert. Der britische Premierminister Tony Blair deutete damals an, daß sich seine Regierung für den „Bloody Sunday“ entschuldigen wolle. Das wurde jedoch auf Druck des Verteidigungsministeriums und der Armeeführung vorerst fallengelassen. Am Mittwoch sagte Blair im Londoner Unterhaus, daß seine Beamten die irischen Papiere zur Zeit prüfen. Erst danach werde man entscheiden.
Damit war Ahern nicht zufrieden. „Es geht schließlich um das Eingeständnis und die Korrektur einer tiefen Ungerechtigkeit“, sagte er vorgestern. „Wir haben der britischen Regierung sehr viel Zeit gelassen, aber die Angelegenheit kann nicht endlos hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Ich plane, den Bericht Anfang nächsten Jahres zu veröffentlichen, damit die Menschen in Irland, Großbritannien und anderswo selbst urteilen können.“ Das sei man den Überlebenden des Blutsonntags und den Angehörigen der Opfer schuldig. Ralf Sotscheck
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