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Jetzt wächst wieder Gemüse

Die Minen müssen weichen: Im angolanische Luena machen humanitäre Minenräumteams mit Hilfe von von medico international das Leben wieder lebenswert  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Der letzte Zug ist vor fast 30 Jahren eingefahren. Alte Dampflokomotiven warten am Bahnsteig, in maroden Güterwaggons leben Flüchtlinge. So gut wie kein Versorgungskonvoi traut sich bis hierher. Was die Stadt erreicht, kommt fast ausschließlich per Flugzeug.

Luena, die Hauptstadt der Provinz Moxico im Osten Angolas, war Anfang der neunziger Jahre von zwei Minengürteln umgeben. Den einen legte die Regierungsarmee, um die Stadt zu verteidigen, den anderen die Unita, um sie auszuhungern. Inzwischen sind die Minen im Umkreis von fast 30 Kilometern geräumt. Doch Bewaffnete machen die Ausfallstraßen noch immer unsicher.

„Die Menschen hier haben die Erfahrung gemacht, daß ihnen ständig alles kaputtgemacht wurde“, beschreibt Ralf Syring von medico international das Trauma der Gesellschaft. Mutlosigkeit und Passivität seien weit verbreitet, die Minenopfer empfinden sich als Last für ihre Gesellschaft.

Immer wieder werden Hilfsorganisationen damit konfrontiert, daß die Menschen vor allem Kleider, Lebensmittel und Medikamente haben wollen. „Doch ihre Probleme müssen sie selbst in die Hand nehmen. Wir können nur dabei helfen“, meint Syring, der seit 1995 in Angola arbeitet. Zusammen mit den Hilfsorganisationen Vietnam Veterans aus den USA und MAG aus Großbritannien hat medico deshalb ein Programm entwickelt, das weit über die Räumung von Minen hinausgeht.

In Dala Sul, einer ländlichen Region in der Nähe von Luena, wollen die BewohnerInnen einen Gesundheitsposten einrichten. Monatelang hat medico mit ihnen beraten, wie die Versorgung auf Dauer gesichert werden kann.

Erst Minen räumen, dann Medikamente bringen

Vor allem die Gefahr, daß die Medikamente auf dem Schwarzmarkt verkauft werden, statt den Bedürftigsten zugute zu kommen, sollte gebannt werden. Inzwischen haben die beteiligten Dörfer eine Kontollgruppe zusammengestellt, die Vertrauen genießt. In Kürze können erste Medikamente an PatientInnen verteilt werden.

„So etwas aufzubauen dauert Monate. Wir müssen uns dem Rhythmus der Leute und nicht den Regeln des Bundeshaushalts anpassen“, sagt Syring. Doch staatliche Geldgeber forderten stets vorzeigbare Projekte mit genauen Zeitplänen. Und Geld gibt es immer nur für ein Jahr.

Damit sich die durch Minen Verstümmelten nicht nur als Krüppel, sondern wieder als ganze Menschen sehen, bedarf es langer Gespräche. Doch EuropäerInnen sind dafür nur bedingt geeignet, weil sie viele kulturelle Zusammenhänge nicht verstehen.

Um die AngolanerInnen beim Umgang mit ihren Problemen zu unterstützen, besucht gerade eine chilenische Delegation Angola. Die lateinamerikanischen Ärzte und Sozialarbeiter haben Erfahrung mit einer Gesellschaft, die jahrelang in permanenter Angst gelebt hat. Jetzt versuchen sie, ihren afrikanischen Kollegen das Wissen weiterzugeben.

Ohne eine Beseitigung der Minen aber können Luena und die gesamte Provinz nie zu selbstbestimmtem Leben zurückkehren. Seit mehreren Jahren bildet die britische Hilfsorganisation Mines Advisory Group (MAG) deshalb Männer aus Luena zu Minenräumern aus. Doch weil die Arbeit so mühsam ist und eine vollständige Räumung in der gesamten Provinz Jahrzehnte dauern würde, wurde auch hier ein neues Konzept entwickelt: Minen-Aktionsteams holen zunächst Informationen von Ortskundigen ein, wo Minen vermutet werden und welche Wege und Felder am dringensten für die Versorgung benötigt werden.

Die Teams holen Infos bei Ortskundigen ein

Während die Räumer die so ausgewählten Gebiete Zentimeter für Zentimeter absuchen, klären ihre Kollegen die AnwohnerInnen über die Minen auf.

Immer wieder gibt es schwere Rückschläge. Vor einer Woche starb Fernando Chipala auf einer Straße südlich von Luena – vermutlich durch eine Mine, die auf das Magnetfeld seines Detektors reagierte. Von Fernando Chipala wurde nichts mehr gefunden als ein Stück seiner Jacke. Die MAG hat die Räumung der Unglücksstraße zunächst eingestellt. Den Flüchtlingen aus Cazombo, die demnächst aus Luena in ihre Heimat zurückkehren wollten, bleibt der Weg weiter versperrt.

756.000 Mark war dem Entwicklungshilfeministerium (BMZ) in diesem Jahr das ganze Projekt Luena wert. Zum Vergleich: Für den Transport eines Minenräumpanzers nach Kambodscha zahlt Bonn 450.000 Mark. 1996 hatte Luena immerhin noch 1,2 Millionen Mark aus der bundesdeutschen Steuerkasse bekommen. „Der Zwang zum Sparen“, kommentiert ein Ministeriumssprecher mit bedauernder Stimme.

Trotz allem verändert sich das Leben in Luena langsam. Inzwischen gibt eine Prothesenwerkstatt, in der Behinderte und Nichtbehinderte ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch einige Schneidereien und Schreinerbetriebe beschäftigen Minenopfer. Seit April können die BewohnerInnen Luenas am Wochenende ins Kino gehen, das von der Behindertenorganisation Anda betrieben wird. Und in vielen Gärten wachsen inzwischen wieder Kohl, Tomaten und Zwiebeln. Nachdem die Menschen gemerkt haben, daß die Hilfsorganisationen die Nahrungsmittel nach der Ernte nicht einkassieren, bauen jetzt immer mehr ihr eigenes Gemüse an.

Esperanca da Paz – Friedenshoffnung – heißt die einzige Zeitung in der dünnbesiedelten Provinz Moxico. Im September konnte sie ihr einjähriges Jubiläum feiern.

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