Karge zeigt sich einsichtig

■ Höchstpersönlich Berufung gegen Anwalt Frings zurückgenommen

Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge sorgt schon wieder für eine Überraschung. Zeigte er sich erst hart gegenüber Rechtsanwalt Kajo Frings, gegen dessen Freispruch vom Vorwurf der Beihilfe zur Fahnenflucht vor einem Jahr Karges Behörde Berufung eingelegt hatte, läßt er plötzlich Milde walten. Gestern sollte vor dem Landgericht die Berufungsverhandlung gegen den Experten in Wehrrechtsfragen stattfinden. Nun hat Karge höchstpersönlich die Berufung zurückgenommen, ohne jeglichen Kommentar.

„Das ist schon sehr ungewöhnlich“, sagte gestern Rechtsanwalt Rüdiger Portius, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. Karge sei zwar „sehr selbstherrlich“ und neige „zu Alleinentscheidungen“. Doch manchmal seien diese auch „vernünftig“. Den Sinneswandel führt Portius auf einen offenen Brief zurück, den die Strafverteidiger Ende November an Karge geschrieben hatten. Darin wurde er aufgefordert, eine Zurücknahme der Berufung zu veranlassen, weil sie „ein Angriff auf das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant“ sei. Auch die Rechtsanwaltskammer hatte sich mit einer ähnlichen Erklärung an Karge gewandt.

Das einzige Beweismittel der Staatsanwaltschaft für die Berufung waren „Empfindungen“ eines ehemaligen Mandanten gewesen. Frings war durch Karges Behörde vorgeworfen worden, einem Totalverweigerer geraten zu haben, der Truppe für die Dauer der Dienstzeit fernzubleiben. Das Amtsgericht hatte dies jedoch nicht zweifelsfrei feststellen können.

Hans-Jürgen Siehl, der Verteidiger von Frings, verbindet mit der Rücknahme der Berufung die Hoffnung, daß „die Freiheit der Beratungsgespräche wiederhergestellt ist“. Kajo Frings betonte gestern gegenüber der taz, daß er weiterhin seine Mandanten „über alle rechtlichen Konsequenzen“ aufklären werde. Auch auf die Gefahr hin, daß diese „sich das Beste rausholen“. Barbara Bollwahn