: „Notstand an der Universität“
■ StudentInnenstreik: Sager fordert kreativen Umgang mit der Not
Bodo Werner ist empört. „Da habt ihr euch viel Sympathie verscherzt“, erklärte er gestern vorm Uni-Geomatikum den streikenden StudentInnen. Diese hatten am Morgen dem Dekan der Mathematik den Zugang zum Seminar verwehrt. Und nicht nur ihm. Einige streikbrechende StudentInnen versuchten sogar, mit Gewalt die Blockade zu sprengen, um in ihre Vorlesungen zu gelangen. Doch die streikenden Blockierer blieben erfolgreich, der Studienbetrieb wurde lahmgelegt. Bodo Werner paßte das nicht: „Der normale Arbeitsablauf darf doch nicht beeinträchtigt werden.“
Dem Mann kann geholfen werden. Gestern sandte Uni-Chef Jürgen Lüthje an alle Dekane seines Hauses ein Schreiben „Betreff: Verhalten bei studentischen Protestaktionen“. Das Lehrpersonal wird darin indirekt ermutigt, auf Diskussionswünsche in Seminaren einzugehen. Zugleich fordern die Dekane der Universität in einer Stellungnahme zum Unistreik „die Politik auf, eine deutliche Kurskorrektur vorzunehmen“.
Am Montag wird sich zudem eine öffentliche Sitzung von Unikonzil und -senat mit dem einzigen Tagesordnungspunkt „Notstand an der Universität“beschäftigen. Für Lüthje ein Zeichen dafür, daß auch diese höchsten Entscheidungsgremien der Uni „mit dem studentischen Protest übereinstimmen“.
Selbst die Hamburger MedizinstudentInnen und die der Wirtschaftswissenschaften schlossen sich gestern explizit auf eigenen Vollversammlungen dem Streik an. „Völlig überrollt von den Ereignissen“zeigte sich auch der hochschulpolitische Sprecher des AStA der Fachhochschule, Stephan Kieck. Insgesamt streiken dort jetzt fünf Fachbereiche.
Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) bekundete derweil erneut ihre Sympathie für den Streik der StudentInnen. Zugleich betonte sie, daß es in Hamburgs Wissenschaftslandschaft keine grundlegenden Veränderungen geben werde, „wenn sich an der Finanzpolitik in Bonn nicht grundsätzlich etwas ändert“. Immerhin sehe der Hamburger Haushaltsentwurf für 1998 erstmals eine geringere Sparquote für die Unis vor. Gespart werden müsse, um den Haushalt zu konsolidieren. Veränderungen seien zur Zeit also nicht „durch mehr Geld, sondern nur durch neue Ideen“zu haben. Und da müßten sich auch die StudentInnen die Frage nach „besserer Leistung und mehr Effizienz“gefallen lassen.
Immerhin zeigten Hamburgs Hochschulen bisher „einen sehr kreativen Umgang mit der Not“, sei es beim Bau der Uni-Flügelbauten, für die ein Spender gefunden wurde, sei es bei der Suche nach Spendern für ein neues Gestühl des Audimax. Eine Idee steuerte die Neu-Senatorin gleich selbst bei: Sie möchte Professoren, die aus Altersgründen aus der Uni ausgeschieden sind, als Mentoren gewinnen, um mit ihrer Hilfe eine bessere Betreuung der Studierenden zu ermöglichen. Ein neues Ehrenamt?
Karin Flothmann / Ralf Streck
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