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Spittelmarkt spielt Potsdamer Platz

Gegen-Masterplan zum Spittelmarkt vorgelegt. Bei der Planungswerkstatt trumpfen die Ostler Kny/Krause/Flierl mit einem neuen Konzept auf. Statt des historischen Stadtgrundrisses soll der heutige gelten  ■ Von Rolf Lautenschläger

Es gehört zu den eher seltenen Ereignissen, wenn sich in Sachen Stadtumbau einmal alle einig sind. Der Bezirk Mitte, die örtliche Wohnungsbaugesellschaft, der Bausenator und selbst der Staatssekretär für Stadtentwicklung marschieren beim Thema „Spittelmarkt“ gemeinsam. Denn kaum etwas in Berlin ist häßlicher als die autobahnähnliche Trasse zwischen der Leipziger Straße und Gertraudenbrücke. Ein Platz, was der Spittelmarkt einmal war, ist nicht mehr zu erkennen. „Das ist ein schwarzes Loch, an dem man am besten alles abreißen sollte“, befand selbst Karin Baumert, Baustadträtin in Mitte, die sonst bei Plänen für die Ostberliner City vorsichtiger mit dem Abriß ist.

Halbwegs einig gibt sich die große Spittelmarkt-Koalition selbst angesichts des Masterplans aus dem Hause des Stadtentwicklungssenators. Durch diesen soll eine geschlossene Platzanlage geschaffen werden, die dem zugigen Ort wieder eine bauliche Fassung verleiht. In die Kritik geraten ist allerdings das „Planwerk“ des Architekten Bernd Albers – dessen Vorschlag im Auftrag von Staatssektretär Hans Stimmann entstand – auch, weil er den historischen Stadtgrundriß, die einst kurvige Straßenführung und die alte Gertraudenbrücke wiederbeleben möchte und zudem die umliegenden Hochhäuser hinter vorgelagerten Neubauten versteckt.

Zu einem ernsthaften Konflikt unter den Spittelmarktplanern könnte es jetzt kommen. Weil nun ein Gegenplan zum Masterplan vorliegt, der nicht nur besser daherkommt als die Albers-Idee, sondern zudem aus der „Planungwerkstatt“ Stimmanns selbst stammt. In ihrem gestern auf einer öffentlichen Werkstattrunde vorgestellten Entwurf – Ko-Gutachten genannt – schlagen Michael Kny, Ludwig Krause und Bruno Flierl vor, den Spittelmarkt nicht „alt und retrospektiv“, sondern auf der Grundlage der bestehenden Bebauung weiterzuentwickeln. So soll die Verkehrsader Gertraudenstraße verkleinert werden, aber erhalten bleiben, und nördlich von ihr der „neue Spittelmarkt nicht als Kopie, sondern als Analogie entstehen“, so Flierl.

Ebenfalls ein Weiterbau des Bestehenden ist die Umgestaltung des Platzes selbst. Für die Freifläche im Norden sieht Kny eine Markthalle als Einfassung vor. Die Gertraudenstraße wird östlich von zwei Bauten flankiert. Im Süden schließen die Architekten den Platz durch eine Grünanlage vor den DDR-Wohnblöcken.

Clou der Planung aber sind zwei Türme im Westen, die die Hochhäuser der Leipziger Straße an den neuen Spittelmarkt führen und eine Torsituation ähnlich der am Potsdamer Platz bilden.

Damit die breite Leipziger Straße nicht als „Windkanal“ auf den Spittelmarkt trifft, haben Kny/ Krause/Flierl einem Turm eine Fußbebauung angeheftet, die die Straße verengt. Die Leipziger Straße selbst wird rückgebaut – nicht aber mit Häusern, sondern als grüner Boulevard. Unterstützung erhielt der Gegenentwurf gestern auch von Grünplanern und Verkehrsexperten, die eigentlich Hymnen auf den Masterplan singen sollten. So konstatierte der Verkehrsgutachter Bodo Fuhrmann, daß die Wiedereröffnung der alten Gertraudenbrücke, dem „derzeitigen Autoverkehr von 75.000 Kraftwagen täglich bei steigendem Bedarf“ nicht gewachsen sei und auch die Führung einer Straßenbahntrasse dort „statische Probleme“ mit sich bringen würde. Fahren könnten Straßenbahnen auch nicht in der wiederaufbereiteten kurvigen Gertraudenstraße. Die langen Wagen blieben schlichtweg stecken. Und die Grünplaner schrieben den Masterplanern ins Stammbuch, daß rund um den historischen Spittelmarkt weitaus mehr Grün angesiedelt war als in den Entwürfen – ganz im Gegensatz zum Ko-Gutachten.

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