SPD für Regierung und Frieden bereit

Auf ihrem Parteitag verändert die SPD ihre bisherige Position zu friedenserzwingenden Maßnahmen unter UN-Mandat und hält an der Wehrpflichtarmee fest. Sachte Annäherung an bündnisgrüne Positionen  ■ Aus Hannover Dieter Rulff

Hannover (taz) – Für Rudolf Scharping ist der Hannoveraner Parteitag der SPD schon jetzt „der erste einer langjährigen Regierungsverantwortung“. Zu dieser Verantwortung gehöre auch – das konnte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Scharping in seiner Rede zu den Anträgen nicht verkneifen –, daß der Staat handeln müsse, wenn die Wirtschaft nicht genug Ausbildungsplätze anbietet. „Deshalb will die SPD einen Leistungsausgleich zwischen Betrieben die ausbilden und denen, die nicht ausbilden“, zielte Scharping auf Gerhard Schröder. Der will keine Azubi-Abgabe, aber er möchte in die Regierung. Also schwieg Schröder lieber. Der Parteitag honorierte die Zurückhaltung des niedersächsischen Ministerpräsidenten – und bestätigte ihn mit dem guten Ergebnis von 347 Stimmen in den Vorstand seiner Partei.

Trotz aller betonter Differenz hat die SPD auf ihrem Weg in die Regierungsverantwortung mit den gleichen Widrigkeiten zu kämpfen wie die Bündnisgrünen. Die Grünen wollen die Nato nicht mehr auflösen, sondern das Militärbündnis zugunsten einer europäischen Friedensordnung überwinden.

Diese Position findet sich nun auch bei der SPD. Ein entsprechender Antrag der Jungsozialisten wurde aber zugunsten der Position der außen- und verteidigungspolitischen Kommission aufgegeben. Nunmehr steht für die SPD fest, daß „das gesamteuropäische Sicherheitssystem (...) in weiter Ferne liegt, wenn man eine neue umfassende Institution schaffen will. Realistischer ist es, die bestehenden Organisationen so umzubauen und miteinander zu verzahnen, daß sie sich sinnvoll ergänzen und zu einem funktionierenden Ganzen zusammenfügen.“

Ausschlaggebend für eine rot- grüne Regierungszusammenarbeit wird auch die Frage der „friedenserzwingenden Maßnahmen“ sein. Die Grünen lehnen sie ab. Die SPD, die den friedenserzwingenden Einsatz der Bundeswehr bislang an diverse Voraussetzungen geknüpft hatte, veränderte auf dem Parteikongreß ihre Position.

Der SPD-Außenpolitiker Günter Verheugen betonte, eine SPD- Regierung könne gegenüber UN- oder Nato-Sicherheitsrat nicht sagen, Deutschland sei nur unter diesen und jenen Umständen zur Beteiligung an einem Einsatz bereit. Vielmehr müßten klare Maßstäbe festgelegt werden. Dazu zählt:

– Militärische Zwangsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens bedürfen, wenn die UN diese Aufgabe nicht aus eigener Kraft erfüllen kann, in jedem Fall eines Mandats des Sicherheitsrates.

– Der Bundestag muß in jedem Fall zustimmen.

Bei einer Entscheidung über bewaffnete Friedenseinsätze will die SPD zunächst prüfen, ob alle nichtmilitärischen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden und der friedenserzwingende Charakter unzweifelhaft ist. Auch wolle sie politische Hinderungsgründe berücksichtigen, hieß es, die speziell Deutschland betreffen sollen.

In Günter Verheugens Klartext heißt das, einen Einsatz wie am Golf oder in Somalia würde die SPD nicht mittragen. In Bosnien würde die Bundeswehr hingegen auch unter einer rot-grünen Regierung aktiv werden.

Wenn es allein nach der SPD geht, wäre die Bundeswehr auch weiterhin als Wehrpflichtarmee aktiv. Bei den sozialdemokratischen Abrüstungsplänen könne sich aber „die Frage der Wehrform stellen“. Die Wehrpflicht dürfe einer Reduzierung nicht im Wege stehen.

Eine Alternative sieht die SPD in einer weiteren Verkürzung der Wehrpflicht – oder ihrer Aussetzung. Wann eine solche Übergangsphase wieder ihr Ende finden könnte, verrät das Programm allerdings nicht. Verheugen verwies lediglich auf die „sozialen Auswirkungen“, sollte die Aussetzung dauerhafter wirksam werden. Immerhin gebe es 120.000 Beschäftigte in der zivilen Bundeswehrverwaltung – wenn das kein Argument für die Beibehaltung der Wehrpflicht ist.