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Warum diese Oper Ernst Fuchs verdient

■ Goldverzierte, monumentale Tournee-„Zauberflöte“unter der technikverzierten Betondecke der Stadthalle

Überraschungspotential hat er durchaus, Ernst Fuchs, von Beruf Mythen-Vermantscher. Keine auf ihren Ruf bedachte Galerie stellt ihn aus, aber immerhin haben ihn schon Götz Friedrich und August Everding für die Inszenierungen von Wagnerschwulst und Zauberflötenmysterienspielen herangezogen. Überaus gerne pflichtet Fuchs bei, daß Schickaneders Zauberflöten-Libretto in Schwarz-Weiß-Humanismus badet. „Aber schauen Sie sich doch mal nachts den Sternenhimmel über uns an: schwarz-weiß. Die Welt scheint nur uns furchtbar komplex. Und die Papageno-Sphäre ist ja auch in der Tat bunt. Die Wahrheit aber ist einfach.“Tja die Wahrheit. Daß es aber auch immer wieder die Spinner und Wahnsinnigen sind, die mit ihrer Originalität noch erstaunen können!

Dann erzählt Fuchs noch über den Eklektizismus der Zauberflöte, über das Faible der Aufklärung für die (vermeintlich) reinen Naturmenschen in Amerika und von zeitgenössischen Kostümentwürfen von Papageno und Papagena als Indianer. Ganz klar, Ernst nimmt die Oper ernst. Er selbst ist schwarz-weiß, schwarz der Mantel, weiß der obligatorische Topfhut.

Monostatos Türkenplüsch dagegen war am Donnerstag, bei der Premiere der von Fuchs ausgestatteten „Zauberflöten“-Inszenierung in der Stadthalle, quietschorange. Paminas Flatterkluft bescheidete sich mit noblem Blau, zeigte dafür viel Brust. Taminos bordürenübersäte Edelknappenausstattung addiert zum royalen Goldblau noch seelenreines Weiß. Die drei Damen, rosagold. Die Königin der Nacht, ein Glitzermeer. Farbenirrsinn. Doch gibt es sonst noch etwas zu verkünden von dem großen Zauberflötenzauber in der Stadthalle? Klar doch: 16 Sattelschlepper schleppen 15 Tonnen Stahlgerüste und Pappmaché durch Deutschland. Das Kleid der Königin der Nacht „hat rund 22.000 Mark gekostet und wurde mit edlen (!) Kristallteilchen bestickt“. Wie eine klassische Kontaktanzeige reduziert das Presseinfo die Inszenierung aufs Elementare: Größe, Gewicht, Finanzen. Doch wie steht's mit dem Kontakt?

Die Pressekonferenz erinnerte an das Plädoyer eines Pflichtverteidigers: dochdoch, 70 statt 44 Musiker seien aus diesen historischen und jenen räumlichen Gründen durchaus erlaubt. Und was heißt schon große Halle, auch Mozart wollte Spektakel, hätte, wenn er noch leben würde, sicherlich ... Eine Rechtfertigungsorgie.

Dabei ist der Ansatz von „Rafael Concerts“und Regisseur Christian Boesch absolut korrekt. Der Zauberflöten-Stumpfsinn über die Weisheit mit seinen albernen Sinnsprüchen und eindimensionalen Figuren hat nichts anderes verdient als Ernst Fuchs. Auf Kitsch kann nur mit Kitsch geantwortet werden. Schuld am Mißlingen der Inszenierung sind Regie und Orchester. Die Lieblosigkeit der Philharmonia Hungarica ist ärgerlich. Die Dusseligkeit der Regie ist mehr als ärgerlich – lustig. Weil die Bühnenbauten viel Raum fressen, bleibt für die Akteure oft nur ein laufstegartiger Bühnenstreifen. Das Übersetzen von Charakter- in Raumkonstellationen stolpert über Pappmachéhäufchen.

Die Bühne wird zum Fest für Liebhaber der Babuschka-Puppen. Aber wieviele gibt es da schon? Alle zehn Minuten öffnet sich der zentrale Pappmachéberg und gebiert einen neuen Pappmachéberg. Immer dann, wenn sich so ein Berg auf kreisrunden Gleisen in den Hintergrund verabschiedet, fiebert das Kind im Zuschauer: Kommt nun wieder der alte Berg zwei oder Berg vier? Das Leben kommt nicht ohne Wiederholungen aus.

Doch es müßten sich Menschen finden, welche die Regie darüber aufklären, daß man aus circa zwei Kilometern Entfernung zur Bühne das ganze kleine Berggefitzele gar nicht richtig genießen kann, geschweige denn irgendwelche Brokatstickereien auf Priesterkostümen, Stichwort 22.000 Mark. Richtig süß in diesem Zusammenhang die klassische Pressekonferenz-Euphorie von Macher Rafael Brown: Ein work in progress!; man arbeite ständig weiter an Regie und Bühne; kürzlich erst sei ein Bühnenarbeiter heimgesucht worden vom Einfall, irgendwo noch eine Sonne unterzubringen. In Bremen hat es mit der Sonne noch nicht geklappt. Wir mußten uns mit dem Mond zufrieden geben. Dortmund und Frankfurt, die nächsten Stationen, dürfen sich aber darauf freuen. Diese Je-mehr-desto-besser-Additions-Philosophie. Entzückend. Und so ist diese Zauberflöteninszenierung wieder mal ein wunderbares Exempel dafür, wie bei richtig kohleintensiven Großprojekten knallharte Professionalität, Dilettantismus und kindliche Leidenschaft seltsame Mischungen eingehen. Barbara Kern

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