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■ UNO billigt Erdölverkäufe des Irak – Saddam Hussein setzt sie ausWashingtons riskante Tricks

Vorgestern hat der Weltsicherheitsrat entschieden: Der Irak darf für weitere sechs Monate Erdöl für rund zwei Milliarden Dollar verkaufen, damit die Menschen im Zweistromland nicht verhungern müssen. Das aber will Saddam nicht. Denn damit liegt das höchste UNO-Gremium auf den ersten Blick auf der Linie der USA und Großbritanniens. Gleichzeitig aber darf UN-Generalsekretär Kofi Annan darüber nachdenken, ob in den kommenden Monaten die irakische Ölfördermenge erhöht wird. Dann müssen die Iraker immerhin ein bißchen weniger verhungern. Der von Saddam nun torpedierte UN-Beschluß war nichts anderes als der Versuch, das Gesicht der USA und Großbritanniens im Irak-Konflikt zu wahren und gleichzeitig den Forderungen Rußlands, Frankreichs und Chinas nach einer Lockerung der Sanktionen entgegenzukommen.

Der UNO-Beschluß und die irakische Antwort zeigen nun vor allem eines: Die sogenannte „Irak-Krise“ ist zu einer Art Schmierenkomödie verkommen. Da ist der böse Bube Saddam Hussein, der angeblich über Waffen verfügt, mit denen er die gesamte Menschheit auslöschen kann. Und der das wohl auch tun würde. Wenn, ja wenn da nicht die Guten wären: die Weltmacht USA nämlich, die immer wieder den Knüppel aus dem Sack holt, um dem Dieb von Bagdad Moral einzuprügeln. Zwar ist nach dem jüngsten UN-Beschluß aus dem Knüppel ein Knüppelchen geworden. Aber ein Trauerspiel ist das Gerangel um Saddam auch weiterhin.

Zur Erinnerung: Nicht Saddam Hussein war es, der vor wenigen Wochen das Theater am Golf anzettelte, als er die US-Waffeninspektoren in die Wüste schickte. Zuvor hatten die USA versucht, die UN- Sanktionen gegen den Irak zu verschärfen und waren dabei am Widerstand vornehmlich Rußlands, Frankreichs und Chinas gescheitert – wenngleich deren Motive eher ökonomische Eigeninteressen als das Leiden der irakischen Zivilisten gewesen sein mögen. Zu groß war auch die weltweite Kritik an dem seit Jahren geltenden Embargo geworden. Denn das erschüttert die Machtposition Saddams keineswegs; dafür vergrößert es das Leiden der Zivilbevölkerung.

Das hat kürzlich sogar die Weltorganisation selbst in Form des Kinderhilfswerkes Unicef eingestanden. Im Irak, so Unicef, müssen nahezu eine Million Kinder wegen der Sanktionen hungern. Rund 23 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren hätten Untergewicht – und zwar vornehmlich im Norden und im Süden des Landes. Sprich: Kurdische und schiitische Kinder sind es, die die Rechnung dafür bezahlen, daß ihre Eltern nach dem Ende des Golfkrieges im Jahr 1991 den Aufstand gegen Saddam Hussein gewagt haben. Nur: Damals ließen die USA den Knüppel im Sack und schauten zu, wie Saddam die Opposition im Lande niederschlug. Denn einen genehmen Nachfolger für Saddam hatte die damalige Bush-Regierung nicht rechtzeitig ausgeschaut. Und jetzt muß Clinton die Suppe auslöffeln, die Bush ihm seinerzeit eingebrockt hat – und das, ohne sein Gesicht zu verlieren.

Dabei scheuen Clinton und seine britischen Verbündeten auch faule Tricks nicht. Der 2. November war es, als der britische Observer diese Schreckensnachricht veröffentlichte: Der Irak verfüge über einen geheimen Vorrat des hochwirksamen Giftgases VX, mit dem Millionen Menschen getötet werden könnten. Und dieser Geheimvorrat sei der wahre Grund dafür, daß Saddam die US-Waffeninspektoren ausgewiesen habe. Die nämlich hätten kurz vor der Entdeckung des Arsenals gestanden. Nur: In keinem der Berichte der Waffenkontrolleure war eine solche Meldung je aufgetaucht.

Im Grunde wäre den USA nun zu größter Umsicht zu raten. Auf die Idee, den Knüppel langsam wieder einzupacken, werden sie dann möglicherweise ganz allein kommen. Denn nur so kann Clinton verhindern, daß die einst so gut funktionierende Nahostpolitik der USA für die arabische Seite zur Farce wird. Die nämlich rückt bereits seit längerem wieder enger zusammen, wie sich wohl auch in der nächsten Woche in Teheran zeigen wird, wenn dort die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) zusammenkommt. Zumindest das ist durch die jüngste Irak-Krise klar geworden: Der Nahe Osten ordnet sich neu – ob mit oder ohne den langen Arm der USA. Kai Horstmeier

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