: Wenn Frauen unter Strom stehen
Bei „Life e.V.“ werden junge Frauen zu „Strohmerinnen“ ausgebildet. Umweltfreundliche Technik und Voltaik gehören ebenso zur Ausbildung wie Solartechnik ■ Von Leonie von Manteuffel
In einem lichten Hinterhofgebäude am Hackeschen Markt beugen sich zwölf Mädchen angestrengt über ihre Werkbänke. Im ökotechnischen Bildungszentrum Life e.V. hat die Ausbildung „Strohmerin“ begonnen. Der Name knüpft an an die Maßeinheit Ohm für den elektrischen Widerstand und signalisiert: Hier wird etwas Neues versucht.
„Es ist sehr interessant und macht Spaß“, sagt die 22jährige Daniela. Auf der Suche nach einem technischen Beruf hatte sie zuerst eine Kfz-Lehre begonnen. Doch als einzige Frau unter 80 Männern fühlte sich sich auf verlorenem Posten. Blöde Sprüche und Anmache gingen ihr auf die Nerven. Ähnlich ging es Katrin, die eine Weiterbildung des Arbeitsamtes machte, bei der sie das einzige Mädchen war: „Der Meister ließ mich einfach links liegen“, erzählt sie. „Hier ist eine andere Atmosphäre, hier fühle ich mich wohl“, freut sie sich.
Was die jungen Frauen begeistert, ist nicht nur die Geborgenheit unter „Gleichgesinnten“. Im Unterschied zum Normalbetrieb werden die „Strohmerinnen“ in ihrem Beruf gründlich in umweltfreundlicher Technik geschult. Im Mittelpunkt steht die Photovoltaik, das Verfahren, bei dem elektrischer Strom aus Sonnenlicht gewonnen wird, indem Siliziumplatten auf Dächern oder an Fassaden installiert werden. Etwa drei Stunden die Woche wird grundlegendes Umweltwissen vermittelt: Wie nutzt man Windkraft? Wieviel Energie ist nötig, um ein Stück Kupferdraht herzustellen?
In einer „Ökothek“ können sich die Azubis anhand von Fachbüchern, Videofilmen und Miniaturmodellen schlau machen. Ansonsten lernen sie in ihrer dreieinhalbjährigen Lehre aber auch alles, was ein traditioneller Elektroinstallateur wissen muß. Außerdem legen sie die normale Gesellenprüfung ab.
Mehr als die Hälfte der Azubis kennt die Projektbegleiterin Sabine Bangert schon aus einer Berufsorientierungsgruppe. Von deren Kreativität zeugt eine Drachenskulptur im Hof, in deren Maul ein Grill installiert ist. Auf den Fensterbänken der Räume von Life e.V. stehen raffinierte Mobiles, Uhren und Lampen, die mit Strom aus Sonnenlicht gespeist werden.
Die Frauen bringen in ihr neues Elektroprojekt mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Umweltbildung ein. Konzeption und Kompetenz überzeugten auch die offiziellen Stellen: Die Modellausbildung wird vom Land und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert.
In einem „Männerberuf“ Fuß zu fassen, dessen Frauenanteil bei den Azubis laut Bundesstatistik 1995 nicht einmal ein Prozent betrug, ist schwer. Deshalb haben sich die Frauen von Life e.V. zum Ziel gesetzt, „Mädchen und jungen Frauen über die integrierte Vermittlung ökologischer und ökotechnischer Qualifikationen in der Berufsausbildung verbesserte Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen“. Daß den Auszubildenden zeitweise Praxisaufgaben gemeinsam mit angehenden Gas- Wasser-Installateuren gestellt werden, damit sie sich in ganzheitlicher Planung üben, gehört in dieses Konzept. Durch Praktika wird zudem für eine 15monatige Betriebserfahrung gesorgt.
Die Chancen für die „Strohmerinnen“ stehen nicht schlecht. Experten bescheinigen der Solartechnik „immense Wachstumschancen“, Handwerkskammern sprechen von wachsendem Beratungsbedarf. In der traditionellen Elektroausbildung ist die Photovoltaik noch nicht fest verankert, wenn auch Berufsschulen und -bildungszentren das Thema zunehmend aufgreifen und in mehreren Städten Solarschulungsanlagen errichteten. „Die Photovoltaik hat Zukunft, es macht mit Sicherheit Sinn, sich in einer Ausbildung damit zu befassen“, betonte Constantin Rehlinger, der Geschäftsführer der Berliner Elektro-Innung.
Ökotechnisches Bildungszentrum Life e.V., Dirksenstraße 47, 10178 Berlin, Telefon: 308 79 823
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