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Rechtsextreme wollen Richter werden

■ Bei den Wahlen für die paritätisch besetzten Arbeitersgerichte in Frankreich kandidiert erstmals eine Organisation der Front National

Paris (taz) – Wer weder streikt noch demonstriert, noch gewerkschaftlich organisiert ist, kann heute zumindest qua Stimmzettel seine Meinung zum betrieblichen Geschehen in Frankreich abgeben. Dazu gibt ihm die Wahl der Arbeitnehmervertreter für die Prud' hommes Gelegenheit – die paritätisch besetzten Arbeitsgerichte, die im Streitfall zwischen Lohnempfängern und Patrons erste Instanz sind.

Für die konkurrierenden französischen Gewerkschaften steht bei der Wahl, die erste seit dem langen Streik im Winter 1995, ihr Kräfteverhältnis auf dem Spiel. Nicht nur, weil die reformistische CFDT, die bislang zweitstärkste Gewerkschaft, vorhat, die kommunistennahe CGT zu überholen, sondern auch, weil erstmals auch eine Tarnorganisation der rechtsextremen Front National für die Prud'hommes antritt.

Die Prud'hommes mit ihren insgesamt 868 Laienrichtern – davon je zur Hälfte Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter – sind ein französisches Spezifikum, das sich aus dem Mittelalter erhalten hat. Wo immer jemand ungerecht entlohnt, abgemahnt oder gar entlassen wird, kann er die für je fünf Jahre gewählten Prud'hommes anrufen. Trotz ihrer paritätischen Besetzung entscheiden die in der Mehrheit aller Fälle zugunsten des Lohnempfängers. Bloß wenn die vier Laienrichter keine Einigung finden, was in sieben Prozent der Streitfälle geschieht, schaltet sich ein Berufsrichter ein.

In der Regel treten die Berufsrichter erst ab der zweiten Instanz auf den Plan. Ihre Interpretation ist jedoch erfahrungsgemäß nicht grundsätzlich anders als die der Prud'hommes: In 80 Prozent aller Fälle folgen sie der Entscheidung der Laienrichter.

Die Zahl der Verfahren vor den Prud'hommes ist in den vergangenen Jahren auf zuletzt 160.000 Verfahren angestiegen. Bei der Hälfte davon geht es um Entlassungen. Angesichts des rasanten Anstiegs von Betriebsverlagerungen ins Ausland und Pleiten halten Gewerkschafter diese Zahl immer noch für erstaunlich gering. Sie machen die Angst vor Arbeitslosigkeit für die mangelnde Streitbereitschaft verantwortlich.

Anders als bei der Wahl eines Betriebsrats, den ein Patron erst ab 50 Lohnempfängern zulassen muß, und bei der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, wofür sich in Frankreich nur zehn Prozent aller Beschäftigten entscheiden, ist die Wahl zu den Prud'hommes völlig risikofrei. Wahlberechtigt sind dabei alle Lohnempfänger der Privatwirtschaft – Immigranten eingeschlossen. Die Urnen befinden sich auf „neutralem Terrain“ außerhalb der Unternehmen. Wer Angst hat, kämpferisch aufzutreten, kann die Wahl, die laut Gesetz in der Arbeitszeit stattfinden soll, auch nach Feierabend abwickeln.

Das Problem der Prud'hommes ist, daß sie erst ins Bewußtsein treten, wenn der Streit da ist. Vorher ignorieren viele Beschäftigte ihre Existenz. So fiel auch der Wahlkampf der vergangenen Wochen eher leidenschaftslos aus. Für Höhepunkte sorgte lediglich der sexistische Angriff des Chefs der drittstärksten Gewerkschaft FO, Marc Blondel, gegen die Chefin der zweitstärksten, ebenfalls reformistischen Gewerkschaft CFDT, Nicole Notat. „Die geht mit den Patrons und der Regierung ins Bett“, sagte Blondel in einem Interview und fügte hinzu: „Ich würde das nicht tun, ich bin schließlich nicht schwul.“ Die Angegriffene, die ähnliche Vorwürfe während des von ihr boykottierten Streiks im Winter 1995 auch aus den eigenen Reihen gehört hat, schwieg.

Zweiter Höhepunkt des Wahlkampfs war die Kandidatur der Front-National-Tarnorganisation CFNT mit insgesamt 206 Listen, gegen die die übrigen Gewerkschaften erfolglos klagten. Ein Versprechen von Arbeitsministerin Martine Aubry, die Teilnahme von Parteienorganisationen an der Prud'hommes-Wahl zu verbieten, kam zu spät. Das Gesetz wird, wenn überhaupt, erst nach den Wahlen in Kraft treten. Dorothea Hahn

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