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Ist der noch okay?

■ Zurück in die Kultgemeinde: Edwyn Collins in der Markthalle

„At least I am a has-been / not a never-was“, singt Loudon Wainwright III in einem Lied über seine eigene Karriere. Der Vergleich zu Edwyn Collins drängt sich auf – wie Wain-wright fand auch er sich plötzlich in den Charts wieder, mit einem Lied, das nie dafür gedacht war, und zu einem Zeitpunkt, an dem er mit allem, nur nicht mit Popstar-Ruhm rechnete.

Doch vorbei, vorbei. „A Girl Like You“blieb ohne Nachfolgehit, die Kultgemeinde hat ihn wieder. Geschlossen trat sie trotz Dauerregen und Fußball im Fernsehen am Mittwoch abend in der Markthalle an. Und Collins machte es ihr nicht einfach. Zwar spielte er alte Hits wie „Rip It Up“und „Falling And Laughing“im originalgetreuen Arrangement. In den neueren Titeln neigte er jedoch dazu, seine schicke Gretsch-Gitarre für halbamtliche Schweinerock-Solos zu mißbrauchen. Die fünf farblosen Gesellen neben ihm taten nichts, um der Musik aus dem Rock-Pop-Format herauszuhelfen und hatten zudem große Mühe, den häufig eingesetzten programmierten Beats nicht davonzurennen. Flöten, Trompeten und Glockenspiel kamen natürlich auch aus den Keyboards.

Aber ich war ja gar nicht gekommen, um gute Musik zu hören. Worum es mir wirklich ging, fiel mir ein, als Collins in „Running Away With Myself“Rückschau auf seine Jugendjahre hielt: Geschickt baute er die Titel von 70er-Hits wie „Goin' Back To My Roots“oder „(Going Back To) My Old School“in den Text ein, um sich schließlich immer wieder zu fragen: „Am I Still Okay?“– genau das fragte ich mich auch, als da oben dieser Held meiner Jugendjahre auf der Bühne stand und eine dermaßen uninteressante Musik spielte. War er nicht einer der Hauptinitiatoren jener Idee einer intelligenten, ja subversiven Popmusik gewesen? Ist der noch okay?

Trotz der Bescheuertheit seiner Musik wurde mir Collins an diesem Abend richtig sympathisch. Ein netter Typ, aber er sollte sich einen anderen Job suchen. Sein Problem ist, denke ich, daß er immer allein gearbeitet hat. Songwriter, das zeigt die Popgeschichte, werden nur dann richtig gut, wenn sie sich an einem Partner oder Rivalen abarbeiten. Collins fehlte immer dieses Korrektiv. Vielleicht ist seine Musik deswegen so bieder, obwohl er doch in Interviews immer wieder seine Intelligenz und seinen Geschmack unter Beweis stellt.

Daß die 1982er-Idee von Pop falsch war bzw. nur zu einem kurzen Zeitpunkt aus kulturkampf-strategischen Gründen richtig, zeigt ja allein die Tatsache, daß die immer größer werdende Schar der Alt-82er ihr Glück heute bei Schwachsinns-Bands wie Oasis findet. Edwyn Collins gelang an diesem Abend ein weiterer Beweis. Detlef Diederichsen

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