: Streit am Millerntor
■ Fans des FC St. Pauli sauer über Zusammensetzung der NS-Kommission
Das Votum hätte nicht klarer sein können. Mit großer Mehrheit entschieden sich die Mitglieder des FC St. Pauli am 31. Oktober auf der Jahreshauptversammlung für eine fundierte Aufklärung der Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten und Stadionpatron Wilhelm Koch wegen dessen Nazi-Vergangenheit. Das Präsidium solle, so der Beschluß, eine „unabhängige Kommission“unter Vorsitz eines sachkundigen Historikers einsetzen.
Sechs Wochen nach dem hitzigen Treffen sorgt die Zusammensetzung des Prüfgremiums bei einigen Mitgliedern erneut für Empörung. Neben dem arrivierten und allseits anerkannten Historiker Frank Bajohr von der „Forschungsstelle für Zeitgeschichte“in Hamburg gibt es nur noch ein weiteres Kommissionsmitglied: Rechtsanwalt Hans Grutschus. Der Ex-Vorstandsvorsitzende des ehemaligen St.-Pauli-Hauptsponsors „Deutscher Ring“sitzt im Aufsichts- und im Ehrenrat des Zweitligisten.
In Fankreisen wird kritisiert, daß das Gremium „viel zu klein“sei und „einer unserer Vertreter“fehle. Zudem dürfe es bei der NS-Aufarbeitung nicht nur allein um den hochverehrten Wilhelm Koch gehen: „Die Rolle des ganzen Vereins während der NS-Zeit muß geklärt werden.“In einem an den FC-Präsidenten Heinz Weisener gerichteten Brief wurde der Vereinsboß deshalb nun zu einer Stellungnahme aufgefordert.
Weisener solle auch erläutern, weshalb der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Apel bei der Auswahl der Kommissionsmitglieder mitentscheiden durfte: „Es war eindeutig ein Auftrag ans Präsidium, nicht an das Kontrollgremium.“Schon beim jüngst vollzogenen Rauswurf des fankompatiblen Vizepräsidenten Christian Hinzpeter war unklar geblieben, welche Rolle der ausrangierte SPD-Berufspolitiker gespielt hat. Die Fans vermuten jedoch: „Die Hardliner um Apel wollen mit der Entsendung Grutschus' testen, wie weit sie in ihrem Machtanspruch gehen können.“
Der Altonaer GAL-Abgeordnete Olaf Wuttke, der die Kommission initiiert hat, findet hingegen „eine kleine Gruppe gut arbeitsfähig“. Das Prozedere sei „korrekt“.
Clemens Gerlach
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