: Justizressort verschleudert Häuser
■ Scherfs Justiz-Verwaltung braucht Geld und stieß daher landeseigene Dienstwohnungen auf kommunalen Grundstücken überstürzt zu Schleuderpreisen ab / Deputierte nickten nur
Die roten Backsteinhäuschen Am Kammerberg in Oslebshausen sind nicht zu übersehen. Zwischen den tristen Mietskasernen aus den 70er Jahren und den schlichten Reihenhäusern wirken die 1878 erbauten Doppelhäuser wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Seit über 100 Jahren finden hier, in den Dienstwohnungen des Justizressorts, die Beamten des nahen Gefängnisses ihr Zuhause. Jetzt sind die zwölf Doppelhaushälften samt Grundstück mit Zustimmung des Beirats, des Grundstücksausschusses und der Justiz- sowie der Finanzdeputation zwischen 135.000 Mark und 150.000 Mark an die Bediensteten verkauft worden. Zu „Spottpreisen“– so die einhellige Meinung von Makler-Ringen und Eigentümer-Organisationen.
Ein rund 300 Quadratmeter großes Grundstück mit Haus wechselte schon für knapp 150.000 Mark den Eigentümer, zu einem Gesamtquadratmeterpreis von 500 Mark. Die von der taz befragten Makler und Eigentümer hätten die denkmalgeschützten Häuser, deren Zustand als „mäßig“beschrieben wird, dagegen nicht unter 1.500 Mark pro Quadratmeter angeboten. Das gilt auch für 20 Reihenhäuser an der Axstedter Straße. Die 1929 erbauten Häuser wurden vom Justizressort inklusive Grundstück für 135.000 Mark bis 166.000 Mark verkauft.
Obwohl der Justizverwaltungsbetrieb JUDIT, zu dessen Vermögen die Wohnungen gehörten, per Gesetz dazu verpflichtet ist, „auf die Erhaltung des Sondervermögens Bedacht zu nehmen“, verzichtete das Justizressort „bewußt“auf ein Wertgutachten für die einzelnen Häuser und Grundstücke, wie Horst Rauer, Haushaltsreferent und Geschäftsführer von JUDIT, bestätigt. „Das hätte zu lange gedauert und wäre zu teuer geworden“, sagt er. „Außerdem hatte das Justizressort gar nicht den Ehrgeiz, da so tief einzusteigen.“
Das Amt für Kataster und Vermessung wurde deshalb damit beauftragt, den Wert für ein einziges Haus und Grundstück zu schätzen. Auf dieser Grundlage wurde für alle Häuser ein Pauschalpreis von je 85.000 Mark und ein Grundstückspreis von 210 Mark pro Quadratmeter ermittelt. „Laienhaft“, kommentiert ein Makler diese Verfahrensweise. Gerade bei alten Häusern hinge der Wert stark vom Renovierungszustand ab. Um den genauen Wert zu ermitteln, sei ein Einzelgutachten unumgänglich.
Ein differenziertes Gutachten für den Wert jedes einzelnen Hauses wäre allerdings „nicht vor März 1998“fertig gewesen, heißt es in der Vorlage für den Grundstücksausschuß. So lange wollte Justizsenator Henning Scherf (SPD) nicht warten. Er braucht Geld. In seinem Haushalt für das Jahr 1997 klafft ein Loch von 8,7 Millionen Mark. Pikanterie am Rande: Die Grundstücke gehören gar nicht dem Justizressort, sondern der Stadt Bremen. Der Erlös soll trotzdem in die Kasse des Justizsenators fließen.
Bremens Dienstwohnungen sind für Stadt und Land schon lange ein schlechtes Geschäft: 1994 kritisierte der Rechnungshof, daß die Dienstherren zu wenig Miete kassierten und einen Verlust von 832.219 Mark erwirtschafteten. Ein Beamter mit einem Bruttoeinkommen von 4.000 Mark mußte z.B. höchstens 545 Mark Miete zahlen. Die verbeamteten Mieter wurden außerdem nicht dazu verpflichtet, Schönheitsreparaturen zu übernehmen. Darüber hinaus seien Bremens Dienstwohnungen mit 352.553 Mark subventioniert worden.
Der Rechnungshof schlug schon damals vor, die Wohnungen zu verkaufen. Das Justizessort zögerte. Es müsse sichergestellt werden, daß die JVA-Beamten in der Nähe des Gefängnisses wohnen blieben, argumentierte die Behörde.
Ein Argument, das bis heute nicht an Gültigkeit verloren hat. „Wir wollen dort einen geschlossenen Kreis“, bestätigt Rauer. Ein Rückkaufrecht hat sich das Justizressort allerdings nicht ausbedungen. „Das wäre rechtlich nicht machbar gewesen“, so Rauer. Die JVA-Beamten können das Haus wieder verkaufen – wann und an wen sie wollen. Ein Beamter, der rund 136.000 Mark für Haus und Grundstück bezahlt hat, könnte sich das „durchaus vorstellen“. „Wenn der Preis stimmt...“ kes
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