Kleinstadt Templin: Busfahren zum Nulltarif

■ Sponsoren und Parkplatzbenutzer sollen den Einnahmeausfall ausgleichen

Berlin (taz) – Gern wird den Brandenburgern attestiert, bei ihnen habe die olle DDR immer noch einen Stein im Brett. Obwohl das rote Gespenst von manchem schon oft wieder erspäht wurde – ein Zurück zum Sozialismus wird's auch im Stolpe-Land kaum geben. Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine macht die uckermärkische Kleinstadt Templin, wo man ab 1. Januar 1998 sogar ein Stück weiter geht und die DDR überholt.

Nicht mal mehr 20 Pfennig, wie zu Ostzeiten, müssen die Fahrgäste künftig für eine Busfahrt im Stadtverkehr bezahlen, sondern überhaupt nichts. Ausgeheckt hat das eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Stadt, Landkreis, der Uckermärkischen Verkehrsbetriebe (UVG) und des Fremdenverkehrsvereins.

Mit dieser extrem kundenfreundlichen, bundesweit bisher einmaligen Maßnahme versucht die 14.000-Einwohner-Kommune mit historischem Zentrum, einer Anerkennung als Kurort einen Schritt näherzukommen. Dafür muß die Stadt nämlich Auflagen erfüllen: Lärm und Schadstoffminderung durch Verkehrsberuhigung gehören dazu. Zur Zeit aber herrscht in Templin noch permanentes Verkehrschaos.

Da Templins Stadtkasse keineswegs an Geldüberfluß leidet, stellt sich die Frage, wie so ein Stück Kommunismus im Kapitalismus funktioniert. Erst mal ganz einfach: Statt von den Fahrgästen bekommt die UVG die Fahrscheine komplett für ein ganzes Jahr von der Stadt bezahlt. Die 45.000 Busbenutzer im vergangenen Jahr brachten einen Erlös von 48.000 Mark. So viel überweist die Stadt 1998 an die UVG. Am 300.000-Mark-Zuschuß des Landkreises Uckermark für den Stadtverkehr wird sich nichts ändern.

Die 48.000 Mark Zusatzbelastung will die Kommune durch Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung, der Kurtaxe, die man als anerkannter Erholungsort bereits erheben darf, und Haltestellenwerbung ausgleichen.

Vor allem aber sollen Sponsoren helfen, insbesondere die Geschäftsleute in der Innenstadt, die sich von dem vorerst auf zwei Jahre angelegten Projekt mehr Kunden versprechen – und nebenbei gute Chancen beim Bundeswettbewerb des Deutschen Seminars für Städtebau und Wirtschaft „Attraktive Geschäftsstraßenideen im Erlebnisraum Innenstadt“.

Das vom Land Brandenburg unterstützte Modellprojekt ist Kernstück der Bewerbung der Templiner Gewerbetreibenden. „Die hoffen natürlich auch auf mehr Besucher“, sagt Sabine Hertrich, Templins Umwelt- und Tourismusbeauftragte, die am Nulltarifkonzept von Anfang an mitgearbeitet hat.

So viele Gäste wie vor der Wende, als es jährlich eine Million Übernachtungen gab, werden es wohl nicht wieder werden. Aber mit dem geplanten Bau eines Thermalbades sind mehr als die gegenwärtig 250.000 Besucher in Sicht. Und die sollen dann möglichst mit dem Bus ins Zentrum fahren.

Die Initiatoren setzen jedoch nicht nur auf den Nulltarif, sondern auch auf ein erweitertes Angebot. Es soll mehr Haltestellen geben und weniger Fahrpausen auf den fünf Stadtlinien. Ob das Ziel einer Verdoppelung der Busbenutzer wirklich erreicht wird, hängt „letztlich aber von der Umsteigebereitschaft der Autofahrer ab“, ist die Umweltbeauftragte überzeugt.

Der einzige aktive Widerstand gegen das Pilotprojekt kam von einem Kommunalabgeordneten, der befürchtete, daß die weiterhin dringend notwendige Umgehungsstraße vom Land nun nicht mehr gebaut würde. Gunnar Leue