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Metalldetektoren und Alkoholverbot

■ Alkoholisierter erstach zwei Dänen während Handballspiel in Max-Schmeling-Halle. Scharfe Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen

Zahlreiche rote und weiße Rosensträuße – die Farben Dänemarks – liegen am Unglücksort. Der Tatort nahe der Eingangshalle ist dicht umringt von Fans und Polizisten in Uniform. Immer wieder werden neue Blumen niedergelegt. Auf den halbleeren Besucherrängen der Max-Schmeling-Halle ist die Stimmung gestern mittag beim Spiel Korea gegen Kroatien um den fünften und sechsten Platz der Handball-Weltmeisterschaft der Frauen gedämpft. Tore werden zwar beklatscht, aber eher pflichtgemäß als wirklich begeistert. Alle SpielerInnen tragen Trauerflor am Arm – genauso wie viele Fans. Jedes Spiel beginnt mit einer Trauerminute.

Die Bluttat des 48jährigen Kreuzbergers Jürgen S., der am Samstag abend während des Halbfinales zwei Dänen erstach, ist für Otto-Ulrich Bals, Sprecher des Deutschen Handballbundes ein „tiefer Schock“. „So etwas Schlimmes ist beim Handball und im deutschen Sport noch nie passiert“, sagte Bals. Trotz des Zwischenfalls fand das Finale in der Max-Schmeling-Halle gestern statt. Lediglich das Abschluß-Bankett wurde abgesagt.

Nach Angaben eines Polizeisprechers ist die Tat von Jürgen S. auf dessen stark alkoholisierten Zustand zurückzuführen. „Völlig grundlos“ habe Jürgen S. einen Streit mit einem der beiden ebenfalls alkoholisierten Dänen, Claus- Michael W. N., provoziert, sein Klappmesser gegriffen und zweimal auf ihn eingestochen. Dem daraufhin herbeieilenden Henning L. gelang es nach Angaben der Polizei zunächst, den Angreifer auf den Boden zu werfen. Fast auf ihm liegend, versetzte ihm der Kreuzberger jedoch vier Stiche in den Nacken, die Oberarme und die Brust. Ein Stich in die Herzgegend führte zum Tod. Jürgen S. ist der Polizei bereits wegen kleinerer Delikte wie Nötigung, Betrug und Körperverletzung bekannt.

Der dänische Trainer, Ulrik Wilbek, übte gestern heftige Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen der Max-Schmeling-Halle: „Jeder Zuschauer kann nach Belieben zu den Spielerinnen in die Umkleidekabinen kommen.“ Auch wurde Kritik an der verspäteten ärztlichen Betreuung laut. Erst 15 Minuten nach der Tat kam ein Krankenwagen, sagte gestern der dänische Mannschaftsarzt.

Nur sporadisch werden in der Schmeling-Halle normalerweise – wie bei anderen Veranstaltungen auch – die Taschen von ZuschauerInnen an den Eingangstüren der Halle gefilzt. Gestern jedoch benutzen die Sicherheitskräfte Metalldetektoren wie am Flughafen – fast jeder Besucher wurde abgetastet. Auch gab es ein Alkoholverbot in der Halle.

Nach Angaben von Otto-Ulrich Bals waren während des Unglücksspiels rund 120 Sicherheitskräfte im Einsatz – 40 Wachschützer der Firma B.E.S.T., die die Eingänge kontrollieren, 40 ehrenamtliche Helfer, 15 Handballer, die im Hauptberuf Polizisten sind sowie weitere PolizistInnen in Zivil und Uniform. Als Vorsichtsmaßnahme für das Endspiel sollte gestern im Laufe des Tages „sukzessiv“ immer neue PolizistInnen in die Halle, die rund 6.500 Plätze hat, eingeschleust werden. Das solle, so Bals, jedoch ganz „dezent“, passieren, damit die ZuschauerInnen nicht den Eindruck von „Polizeihundertschaften“ hätten. Julia Naumann

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