■ Bundeswehrskandale: Rühe schießt sich auf die Medien ein: Rühes neuer, alter Feind
Es scheint, als wolle Bundesverteidigungsminister Volker Rühe sich in diesen Tagen auf der Hardthöhe regelrecht einigeln. „Das ist die Stunde von Gerüchtemachern und Provokateuren“, sagte er kürzlich vor Gebirgsjägern in Bad Reichenhall. So, als werde da die Truppe, wie es in der Landsersprache heißt, „zersetzt“.
Die nervliche Anspannung auf der Hardthöhe ist verständlich. Tag für Tag wird nun ein rechtsradikaler Vorfall nach dem anderen ans Tageslicht gehievt. Mag sein, daß dabei der eine oder andere Neonazi oder gar Rekrut nur alte Rechnungen begleichen möchte und sich der Medienmaschinerie andient. Doch die Tatsache bleibt: Die rechtsextremen Vorfälle sind keine Erfindungen der Medien.
Rühes Äußerungen sind nicht dazu angetan, die tiefsitzende Sinnkrise der Bundeswehr zu lösen. Im Gegenteil: Die markigen Worte sollen nach innen disziplinieren und schotten ab gegen die angeblich so böswillige Zivilgesellschaft vor den Kasernentoren. Plötzlich wird ein Feindbild konstruiert, das abstruser nicht sein könnte. Schon wird von „Trittbrettfahrern“ gewarnt, vor „linken Medien“ gar, denen es eigentlich darum gehe, die Truppe selbst abzuschaffen. Der Verteidigungsstrategie des Ministers, sollte sie als solche begriffen werden, haften beinahe schon irreale Züge an.
Monatelang konnte sich der Verteidigungsminister in der Gunst der großen Medien sonnen, gelobt wurde sein umsichtiges Verhalten in Sachen Bosnieneinsatz und Nato-Osterweiterung. Die Hilfe der Bundeswehr während des Hochwassers an der Oder ließ sie als Teil der Zivilgesellschaft erscheinen. Das Echo der Presse auf Rühes Arbeit war in den letzten Monaten gut, so gut wie gegenüber kaum einem Minister in der Bundesregierung.
Plötzlich aber, da das Image Kratzer bekommen hat, wird tief in die Kiste alter Vorurteile gegriffen. Reflexhaft besinnt man sich auf ein „linkes“ Feindbild. Zu Zeiten der Friedensbewegung wäre dies noch halbwegs plausibel gewesen, denn in der Tat ging es vielen damals Beteiligten schlicht um die Abschaffung der Armee. Doch heute? Die Frage nach dem Sinn der Bundeswehr wird heute nur in politischen Randgruppen gestellt. Selbst die Grünen, die sich einst Gewaltfreiheit auf die Fahnen schrieben, stellen den Einsatz der Bundeswehr in Bosnien nicht in Frage. Und von der Abschaffung der Truppe ist auch nur noch halbherzig die Rede. Wer also ist Rühes Feind? Severin Weiland
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