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Thyssen-Chef wird angeklagt

■ Staatsanwaltschaft beendet Ermittlungen

Düsseldorf (AFP) – Die Staatsanwaltschaft Berlin hat am Montag gegen Thyssen-Chef Dieter Vogel und zwei weitere Thyssen-Manager wegen Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit der Schulung ehemaliger Mitarbeier der früheren DDR-Außenhandelsfirma Metallurgiehandel (MH) Anklage beim Landgericht Berlin erhoben.

Alle weitergehenden Ermittlungen gegen Vogel seien eingestellt worden, teilte Thyssen weiter mit. Ende vergangener Woche hatte die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben ihre Ermittlungen abgeschlossen. Nach Angaben einer Sprecherin ging es dabei um Schulungsgelder in Höhe von 37 Millionen Mark.

Die Anklageerhebung belastet offenbar auch die geplante Fusion von Thyssen mit Krupp. Eine als entscheidend betrachtete Sitzung des Thyssen- Aufsichtsrates am kommenden Freitag wurde am Montag auf unbestimmte Zeit verschoben.

Im August 1996 war in der Affäre um mutmaßliche Betrügereien bei der MH-Abwicklung Haftbefehl gegen Vogel und weitere Thyssen-Manager erlassen worden. Nach Zahlung einer Kaution von 2,5 Millionen Mark wurde Vogels Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.

Der Thyssen-Konzern bezeichnete die Anklageerhebung als „rechtlich und tatsächlich unbegründet“. Für Vogel, der zur fraglichen Zeit Chef der Thyssen-Handelsunion war, kommt die Anklageerhebung zum jetzigen Zeitpunkt äußerst ungelegen. Thyssen verhandelt mit Krupp über eine Fusion beider Konzerne, die der urspünglichen Planung zufolge bereits Ende November besiegelt werden sollte. Anschließend hieß es, eine Einigung solle noch im Dezember erfolgen.

Nach der Absage der für Freitag anberaumten Sitzung des Thyssen-Aufsichtsrates erklärte der Düsseldorfer Konzern in einer weiteren Stellungnahme, es bleibe das Ziel, in einem „konstruktiven und partnerschaftlichen Prozeß möglichst zügig“ verläßliche Daten für eine verläßliche Entscheidung der Aufsichtsgremien für Thyssen und Krupp zu erarbeiten. Offen seien noch Fragen der steuerlichen Auswirkungen möglicher Fusionsmodelle und die Bewertung der Konzerne.

Einer der Hauptstreitpunkte bei den Verhandlungen, der in der Thyssen- Mitteilung aber nicht genannt wird, ist die Führungsfrage: Vogel und Krupp- Vorstandschef Gerhard Cromme machen sich die Führung des neuen Konzerns streitig. Die Anklage könnte Vogels Chancen entscheidend mindern, den Rivalen zu überflügeln.

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