: Delikt: Taxifahren
■ Sachsen: Taxifahrer sollen ausländisch aussehende Gäste kontrollieren
Taxifahrer wegen Taxifahrens verurteilt – ein Jahr und vier Monate Haft. Auf den ersten Blick ist es ein kurioser Fall, der da heute vor dem Landgericht Görlitz in die Berufung geht. Weil er drei Fahrgäste von Zittau nach Bautzen fahren wollte, wurde der Kutscher verurteilt. Sein Vergehen: Er hatte nicht überprüft, ob seine Passagiere sich legal in der Bundesrepublik aufhielten. Seit 1994 setzt man sich damit der Strafverfolgung durch den Bundesgrenzschutz (BGS) aus, zumindest in Sachsen. Beihilfe zu illegaler Einreise lautet der Vorwurf seit einer Verschärfung des Ausländerrechts, und in Sachsen wird der neue Paragraph rigide eingesetzt. In einem grenznahen Landkreis wird gegen 22 von 73 Taxifahrern ermittelt, erst letzte Woche verhängte ein Gericht in einem Fall eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten.
Während der BGS sich auf die Bekämpfung des „Schlepperunwesens“ beruft, geht es wohl eher um den Aufbau eines Netzes Informeller Mitarbeiter. Mit drakonischen Strafandrohungen einerseits und beständigen Appellen, Flüchtlinge an den BGS zu melden, andererseits sollen die Taxler als Undercover-Agenten rekrutiert werden: der Taxifahrer, des Staates Freund und Helfer. Weil es trotz wiederholt verstärkter BGS-Einheiten immer wieder Menschen gelingt, die Grenze unentdeckt zu passieren, wird jetzt die Bevölkerung zum Schutzwall geformt. Angesprochen werden nicht nur die Taxifahrer, jeder wachsame Zeitgenosse im Grenzgebiet wird aufgefordert, verdächtige Gestalten zu melden.
Die Konsequenz spricht nicht zuletzt dem in Sachsen gerne beschworenen Bild von der Region in Europas Mitte Hohn. Während zum Zweck der Imagepflege bei Wirtschaft und Ausland gerne die Vorzüge des Dreiländerecks von Deutschland, Tschechien und Polen gepriesen werden, schaut die Alltagserfahrung des Kulturkontakts anders aus. 80 bis 90 Prozent der Taxifahrer im Landkreis weigern sich schlichtweg, Ausländer zu befördern. „Haste ne italienische Mutter, mußte zu Fuß gehen“, umschreibt einer es bündig. Das Risiko, im Gefängnis zu landen, will keiner der Taxifahrer auf sich nehmen.
Sie mögen mit so manchen Polizisten die Liebe zu schnellen Autos teilen – Hilfssheriffs wollen sie jedenfalls nicht sein. Patrik Schwarz
Bericht Seite 6
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