: UN-Tribunal kritisiert französische „Totalblockade“
■ Paris verbietet Zeugenvernehmung Janviers und anderer französischer Offiziere in Den Haag
Genf (taz) – In zahlreichen Ersuchen an die Pariser Regierung bemüht sich das Den Haager Kriegsverbrechertribunal bereits seit letztem Jahr intensiv, General Bernhard Janvier und andere französische Offiziere als Zeugen zu Srebrenica und anderen bislang nicht aufgeklärten Ereignissen während der knapp dreieinhalbjährigen Unprofor-Mission (Herbst 1992–Dezember 1995) zu vernehmen. Die Regierung in Paris hat den Offizieren einen Auftritt vor dem Tribunal untersagt. Mit diesem Verbot, nach Einschätzung von Tribunalbeobachtern in erster Linie eine „Lex Janvier“, verstößt die Pariser Regierung gegen ihre völkerrechtliche Verpflichtung zur Kooperation mit dem UNO-Tribunal. Dessen kanadische Chefanklägerin Louise Arbour warf Frankreich am Montag in einem Interview mit Le Monde eine „Totalblockade“ des Tribunals vor. Arbours zweiter Kritikpunkt: Die Mehrheit der 74 derzeit vom Tribunal mit Haftbefehl gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher befindet sich im Sektor Südostbosnien. Für diesen Sektor sind die französischen Verbände der SFOR-Truppe zuständig. Arbour monierte, daß die französischen Soldaten keinerlei Anstrengung zur Festnahme der Gesuchten unternähmen. Frankreichs Verteidigungsminister Alain Richard und Außenminister Hubert Vedrine wiesen die Kritik unterdessen als „skandalös“ zurück.
Aber auch andere Staaten kommen ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur „uneingeschränkten Zusammenarbeit“ mit dem UNO- Tribunal nicht nach. So hält die US-Regierung Geheimdiensterkenntnisse zurück, die für die Aufklärung der Vorgänge in Srebrenica wesentlich sind. Auch die Bonner Regierung verfügt über Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) über die Vorbereitung der Angriffe auf Srebrenica. In der New Yorker UNO- Zentrale wurden alle Srebrenica- relevanten Akten für die nächsten 30 bis 50 Jahre weggesperrt und dürfen auch dem Tribunal nicht vorgelegt werden. Dies geschah auf Verlangen der ständigen Sicherheitsratsmitglieder USA, Frankreich und Großbritannien, die sich auf ihre nationalen Geheimschutzbestimmungen für Regierungsdokumente beriefen. Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen