„Kein Mensch ist illegal“

Für die Hamburger Staatsanwaltschaft ist diese Aussage nicht bindend: Sie ermittelt gegen Pastor, der Flüchtlingen Kirchenasyl bot  ■ Von Elke Spanner

Selbst der Schöpfer ist nicht immer Herr im eigenen Haus: Mit Schlagstöcken stürmte die Polizei im vergangenen Jahr die Saint-Bernard-Kirche in Paris und zerrte Flüchtlinge aus dem Kirchenasyl. Derartige Szenen gab es in Hamburg noch nicht. Doch auch hier wird das historisch gewachsene Kirchenasyl wenig respektiert: Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen einen Pastor, in dessen Gemeinde zwei kurdische Familien seit Juli Asyl bekommen. Pastor Christian Arndt von der Friedenskirche in St. Pauli wird „Unterstützung beim illegalen Aufenthalt“vorgeworfen.

„Arndt will niemanden in der Illegalität unterstützen“, schimpft Rechtsanwältin Gabriele Heinecke. „Im Gegenteil: Er bringt die Familien unter, um sie legalisieren zu können.“Und das ist dem Pastor sogar geglückt: Die beiden Frauen der kurdischen Familien, denen er Unterschlupf gewährte, waren in der Türkei von den Sicherheitskräften sexuell mißhandelt worden, nachdem ihre Männer aus dem Land geflohen waren. Beide wollten in ihrem Asylverfahren zunächst nicht über die Vergewaltigungen sprechen, da sie nur von Männern befragt wurden. Ihre Asylanträge wurden abgelehnt. Während sie im Kirchenasyl Unterschlupf suchten, verhandelten VertreterInnen der Friedensgemeinde mit der Ausländerbehörde. Die Familien bekamen eine Duldung.

„Angesichts der Rechtsprechung ist das Kirchenasyl eine Notwehrhandlung“, sagt Heinecke, und Arndt bekräftigt: „Hätten sie hier keinen Schutz bekommen, wären sie längst abgeschoben worden.“Obwohl sich das Kirchenasyl also bewährte, da es der Ausländerbehörde ermöglichte, eine Fehlentscheidung zu korrigieren, wird nun gegen Arndt strafrechtlich ermittelt. Dabei kooperierte der Pastor bis dato mit der Polizei. Nachdem der Kirchenvorstand Anfang August das Kirchenasyl beschlossen hatte, informierte Arndt die Ermittlungsbehörden darüber. Er fürchtete Anschläge „von deutscher oder türkischer Seite“. Der Staatsschutz bot ihm darauf eine Beratung über Sicherheitsvorkehrungen an.

Schon 1984 war eine Flüchtlingsfamilie vorübergehend in der Friedenskirche untergebracht, 1989 waren es sogar 180 Roma, die dort Asyl fanden. Bislang wurden sämtliche Ermittlungen gegen Pastoren in Hamburg „mangels öffentlichen Interesses“eingestellt.

Trotz der Androhung einer Strafe sei bei der Kirchenleitung unbestritten, daß man weiterhin Flüchtlinge unterstützen wolle, bekräftigt Arndt nun. „Denn für Christen gilt: Kein Mensch ist illegal.“Und nicht nur für Christen. Bundesweit formiert sich zur Zeit eine Kampagne zur Unterstützung von Flüchtlingen, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Nach dem Vorbild der französischen „Sans papiers“gründete sich im Sommer das Bündnis „Kein Mensch ist illegal“. Auch in Hamburg ist es aktiv. „Anders als in anderen Städten gibt es hier bereits Menschen, die mit Illegalen zusammenarbeiten“, sagt Mitinitiatorin Marily Stroux. Ihr Ziel: „Wir wollen mehr Akzeptanz und Unterstützung für Illegale erreichen.“

Kontakt zu „Kein Mensch ist illegal“über das Café Exil, 2368216. Morgen erscheint in der taz eine Beilage zur Kampagne.