: Petra Schäfers Weihnachtsmann
■ Berliner Zimmer, Teil 4: Eine Besuchsreihe von Falko Hennig
Petra Schäfer: Vor ungefähr drei Jahren habe ich angefangen, den Weihnachtsmann auf den Balkon zu stellen. Vorher hatte ich so 'ne Barbie-Puppe auf dem Balkon, hab' der 'ne rote Jacke angezogen und hab' gedacht: Da muß was Größeres hin. Da kam mir dann die Idee mit dem Jogginganzug, weil Schaufensterpuppe ist einfach zu teuer. Das ist ein Jogginganzug, mit Zeitungspapier ausgestopft und am Sonnenschirmständer festgemacht. Seit drei Jahren steht der immer über die Weihnachtstage auf dem Balkon. Dann tue ich den Mantel ausziehen, das wird dann alles gewaschen, weggelegt, zusammengefaltet und unter den Tisch gelegt.
Einen Osterhasen? Meine Freundin hat mich schon auf die Idee gebracht, ja. Nee, also Ostern ist nicht so ein Fest für mich wie Weihnachten. Meine Eltern haben überhaupt nicht so geschmückt, gar nicht. Tannenbaum, das war alles. Ich weiß auch nicht, warum ich das mache, es könnte von der Schiffahrt kommen, weil wir da nicht richtig feiern konnten. Auf dem Schiff, da ist ja nie 12 oder 24 Volt, und einen Adapter zur damaligen Zeit konnte ich mir nicht leisten. Da war eigentlich nur ein Tannenbaum da.
Ich war auf dem Schiff mit, die erste Zeit, Binnenschiffahrt. Westdeutschland, Rhein rauf und runter, Mosel, Neckar. Die Binnenschiffahrtszeit war schön. Ich geh' ab und zu mal zum Westhafen auf so 'nen Karton drauf, um Planken unter den Füßen zu spüren. Man hat ja alles gesehen, von Rotterdam bis runter Basel. 1978 war ich so das erste Mal in Berlin, da lagen wir auch im Westhafen. Da haben wir Kohle gehabt. Da habe ich das erstemal den Ku'damm kennengelernt. Da war ich richtig begeistert von dem Flair, das da herrschte.
Ich komme aus Duisburg und bin jetzt am 28. November 9 Jahre hier. Ich hab' mich toll hier in Berlin eingelebt. Ich werd' hier sicher wohnen bleiben, obwohl ich ab und zu noch Heimweh hab'. Das war meine erste Ehe, dann ging meine zweite Ehe auch in die Brüche, und dann habe ich meinen damaligen Mann in Duisburg kennengelernt, der wohnte aber hier in Berlin, und da bin ich hierhingezogen. Aber die Ehe ging auch schief. Er hatte die Wohnung hier, und ich bin auch eingezogen, sie kostet 1.336 Mark für 103 Quadratmeter, relativ günstig noch. Ich habe fünf Kinder, einen Enkel. Meine drei Großen sind schon ausgezogen, 19, 21 und 22 Jahre alt, hier sind nur noch die zwei Kleinen.
Hier in der Wohnung sind alle Zimmer geschmückt, nur meins nicht so doll. Dieses Jahr waren die andern schneller. Ich schmücke immer zum ersten Advent hin, und die Nachbarn haben mich schon auf der Straße angesprochen, auch Leute, die ich überhaupt nicht kannte: Wann steht endlich der Weihnachtsmann auf dem Balkon?
In den Jahren vorher war ich immer relativ die erste, die geschmückt hat. Weiß auch nicht, was dieses Jahr los war. Die Weihnachtsutensilien sind in so einem Wandschrank das Jahr über verstaut. Da paßt gerade so eben alles rein. Der Horse-Rider kommt noch weg in die Diele, und da kommt der große Tannenbaum hin, bis zur Decke. Der goldene Engel wird die Tannenbaumspitze. Die Wohnung habe ich bis zum 6. Januar geschmückt, den Heiligen Drei Königen.
Weihnachten ist schon christlich, aber ich finde, egal welchen Namen man Gott gibt, es ist immer eine höhere Macht da. Buddhismus, das kam über den David Carradine, diesen Schauspieler. Der hatte doch 1974/73 diese Kultserie Kung Fu. Durch die ganzen Scheidungen hatte ich so 'n Tiefpunkt erlitten, daß ich so depressiv war, ich wußte nicht mehr ein noch aus. Und durch diese Fernsehserie, auf einmal fing ich an für den zu schwärmen. Und dadurch habe ich mein Leben wiederaufgebaut. Durch diese Schwärmerei, komischerweise. Ich fing mit Volkshochschule an, mit Englisch, Tai- Chi-Kursen, dadurch habe ich mein Leben wieder in den Griff gekriegt.
Obwohl mich das in meinem Alter überrascht hatte, daß so was passiert. Vor zweieinhalb Jahren habe ich ihm das erstemal geschrieben, aber er hat nicht zurückgeschrieben. Zum Geburtstag habe ich ihm noch 'ne Karte geschrieben, er hat ja am 8. Dezember Geburtstag. Da habe ich geschrieben, daß ich im März Geburtstag hab', vielleicht eventuell könnte er mir dann ein Autogramm schicken. Irgendwann bestimmt. Ich geh' dem so lange auf den Geist, bis er schreibt. Seine Freundin ist gerade 21, und er ist 61, also das muß ein ganz schriller Typ sein. Der hat ja auch Tai-Chi- und Kung-Fu-Trainingskassetten rausgebracht, und nach denen machen wir das.
Bei mir im Zimmer hängen viele Bilder und so. Ich hab' über Autogrammagenturen alles versucht. Nichts. Gar nichts von ihm. So habe ich dann selbst gezeichnet. Der einzige, der zurückgeschrieben hat, das war Charles Bronson. Aus Jux und Dollerei habe ich Charles Bronson mal geschrieben. Foto mit Unterschrift, aber handschriftlich alles, also nicht über eine Agentur. Dann hat meine Tochter mir vergangenes Jahr zu Weihnachten ein Bild von Carradine geschenkt. So ein kleines Bild von der Zeitung, das ich vergrößert habe, hat sie dann 'nem Straßenmaler gegeben im Europa-Center. Und der hat es dann richtig groß porträtiert.
Und dann hängt da das chinesische Zeichen für Glück. Ich habe ja in einem Zen-Buch einen Spruch gefunden. Auf einem Deutsch- Amerikanischen Volksfest habe ich einen Chinesen gefragt, ob er mir den Zen-Spruch übersetzen kann, in chinesische Zeichen. Der hat da Sternzeichen und chinesische Zeichen übersetzt. Das habe ich abfotokopiert, hier auf das T- Shirt gemalt, und das heißt: Träume sind beflügelte Begleiter unseres Lebens, sie erhöhen uns über die Wirklichkeit.
Was mich an Amerika fasziniert, sind die Prärien und unendlichen Weiten. Wenn ich könnte, wie ich wollte, dann würde ich reiten lernen und einmal da! Absolute Freiheit, so stell' ich mir das vor. Aber ich kann nicht reiten, außerdem: Find ein Pferd, das mein Gewicht hält! Wenn du nicht reiten kannst, dann bist du doppelt so schwer für ein Pferd.
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