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Jährlich 100 Milliarden Mark werden neu verteilt

■ Von den großen Energiekonzernen oder der Deutschen Bahn bis zu kleinen Nischenabietern wollen viele am Telefonieren verdienen. Anfangs werden vor allem Großkunden umworben

Hamburg (taz) – „Es wird am 1.Januar keinen Big Bang geben, der dem Verbraucher eine schöne neue Welt bescheren wird“, behauptet Martin Furuseth. Der Norweger muß es wissen, er ist Chef der Viag Interkom, einem der großen Vollsortimenter auf dem 100 Milliarden Mark großen Markt der Telekommunikation, den sie ab Neujahr mit der Deutschen Telekom teilen wird.

Die Tochter des bayerischen Energieriesen Viag/Bayernwerke ist die Jüngste im Oligopol. Im Jahre 1995 gegründet, beschäftigt die Interkom heute über tausend Mitarbeiter und betreut 800 Geschäftskunden. Bei diesem überschaubaren Kreis soll es aber nicht bleiben: „Wir streben bis zum Jahr 2006 einen Umsatz von gut zehn Milliarden Mark an“, erklärt Furuseth. Das würde dann einem Marktanteil von etwa acht Prozent entsprechen. Mit Investitionen von 8,5 Milliarden Mark will die Viag eine „Technologie-Führerschaft“ erzwingen.

Zur neuen Konkurrenz gehört auch – die Deutsche Bank: Der Finanzgigant ist an der Mannesmann Arcor AG beteiligt. Mehrheitsaktionär ist allerdings die Deutsche Bahn (50,2 Prozent). Sie bringt ihr eigenes Leitungsnetz in die Kooperation mit ein, das parallel zum Schienenstrang verläuft. Arcor verfügt so über immerhin 40.000 Kilometer Telefon- und Datennetz. Über eigene Kommunikationsleitungen verfügen auch Versorgungskonzerne wie RWE und Veba, die gemeinsam die Otelo Communications GmbH dominieren – dem zweiten Telekom-Gegner von Rang und Hauptsponsor des SV Werder Bremen. Otelo experimentiert inzwischen auch mit einer Nutzung der Stromleitungen für die Datenübertragung. Wenn Telefonieren über die Steckdose einmal funktionieren sollte, wäre der Hauptvorteil der Telekom AG plötzlich wettgemacht – der direkte Zugang zu jedem Kunden.

Neben der Telekom und den großen Konkurrenten ist ein dritte Gruppe von Anbietern entstanden: kleine Firmen und Citynetz- Betreiber wie Colt Telecom oder NetCologne. Colt und die etwa 50 anderen Firmen vernetzen meist die Zentren von Metropolen wie Frankfurt und Hamburg mit eigenen Supernetzen, die Großfirmen vor Ort eine Datenautobahn mit hohem Sicherheitsstandard bieten. Die Verbindung zwischen den einzelnen Stadtnetzen erfolgt dann via Kooperation mit der Deutschen Telekom.

Möglich wird der Wettbewerb kurioserweise durch den alten Monopolisten, die Deutsche Telekom, mit seinen 140.000 Kilometer Glasfaserkabel allein in Ostdeutschland. Die Telekom muß laut Telekommunikationsgesetz Leitungen und Vermittlungsdienste künftig zur allgemeinen Verfügung stellen – gegen Gebühr. Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation habe mit 2,7 Pfennig pro Minute einen zu hohen Preis bewilligt, bejammern jedoch Viag, Otelo und Co. Aber auch die Telekom klagt.

Trotz bissiger Kritik und gegenseitiger Anklagen, am Staat möchte keiner der Beteiligten vorbeigehen: Angesichts unterschiedlicher Startbedingungen will auch die Bundesregierung eine „Deregulierung durch Regulierung“. Arne Börnsen soll der Vizepräsident der Regulierungsbehörde werden, der Nachfolgerin des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation. Der SPD-Bundestagsabgeordnete fordert „einen Regulierer, der stark genug ist, um sich gegen die Telekom durchzusetzen“, versprach er in Hamburg anläßlich der Eröffnung des Stadtnetzes der Firma Colt. Börnsen will über billige Telekommunikationsdienste den Standort Deutschland mobilisieren.

Die Telekom-Konkurenten betreiben jedoch zunächst Rosinenpicken. Durch eine einzige Glasfaser können gleichzeitig bis zu 30.000 Telefonate übertragen werden oder gigantische Datenmengen, mit denen beispielsweise Großbanken ihren internen Informationsbedürfnisse quasi zeitlos befriedigen können. So zielen die meisten neuen Telekomisten vorrangig auf die etwa zehn Prozent der deutschen Unternehmen, die solche Gigabite-Mengen hin- und herschieben. Zugleich wird an der Verbindung dieser Festnetze mit dem Mobilfunk gearbeitet und an einer Vernetzung über Satelliten. Ergänzt wird das nationale Oligopol durch internationale Kreuz- und-quer-Allianzen: An Viag Interkom sind auch die British Telecom und die norwegische Telenor beteiligt, und Otelo beispielsweise kooperiert mit American Express. Hermannus Pfeiffer

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