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Fahrendes Handwerk vor Gericht

■ Urteil zu Reisehandwerkern: Auftrag muß sofort erledigt werden

Berlin/Kassel (taz) – Uwe Bächt aus Kassel versteht sein Handwerk. Der selbständige Steinmetzgeselle repariert Fundamente und saniert Fassaden. Er arbeitet mit einem Architektenbüro zusammen, fragt dort nach Aufträgen, manchmal telefonisch. Manchmal läßt er etwas Zeit verstreichen, bevor er bei einem Kunden anfängt. Und das ist sein Problem: Das Amtsgericht Kassel belegte Bächt gestern mit einem Bußgeld in Höhe von 5.000 Mark wegen „unerlaubter Handwerksausübung“.

Hintergrund der absurden Verhandlung ist ein Streit um die Auslegung der Handwerksordnung. Die erlaubt nämlich nur Meistern, selbständig einem Handwerk nachzugehen. Eine Ausnahme bildet der Paragraph zum „Reisegewerbe“. Danach dürfen auch Handwerker ohne Meisterabschluß als sogenannte Reisegewerbetreibende ihrem Beruf nachgehen. Allerdings nur, wenn sie „ohne vorhergehende Bestellung“ arbeiten beziehungsweise „in eigener Person“ Bestellungen aufsuchen und außerhalb einer eigenen Niederlassung arbeiten.

Darum aber stritten gestern die Experten vor dem Amtsgericht Kassel. Ist Uwe Bächt noch Reisegewerbetreibender, wenn er sich telefonisch nach der Auftragslage erkundigt? Oder muß er immer live vorsprechen wie ein fahrender Gesell? Ist er noch Reisegewerbetreibender, wenn er nach Auftragsvereinbarung mit dem Kunden nicht sofort mit der Arbeit anfängt wie ein Zimmermann auf der Walz, sondern ein paar Tage verstreichen läßt? Die Richter arbeiteten eine Umfrage unter 40 Kunden des Beklagten ab, um herauszufinden, ob Bächt gegen diese Bestimmungen verstoßen hätte. Auch einige vergleichsweise hohe Rechnungen Bächts vertrugen sich nach Richtermeinung nicht mit einem „Reisegewerbe“.

„Ein absurder Streit“, meint dazu Michael Nahrath vom Berufsverband unabhängiger HandwerkerInnen (BUH), „die Leute versteuern ihr Einkommen und sind sozialversichert. Trotzdem werden sie behandelt wie Schwarzarbeiter.“ Tausende von Handwerksgesellen arbeiten in Deutschland auf „Reisegewerbekarte“, um die Vorschrift zu umgehen, erst mit einer Meisterprüfung und der Eintragung in die Handwerksrolle einen eigenen Laden aufmachen zu dürfen. Mitunter lehnen „reisende“ Handwerker ihnen zu Hause aufgetragene Tätigkeiten erst ab, um dann wie zufällig später beim Kunden selbst vorbeizuschauen und zu fragen, ob denn was zu tun wäre. BD

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