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Eine Scheibe voll mit Lexitainment

■ Platzsparend, preiswert, aber oft auch nur billig: Lexika auf CD-Rom. Zum Stichwort Bremen heißt es: „Sehr sehenswert“

„Meeresleuchten“, das ist ganz einfach: Sie gehen im Stockfinsteren auf einer der schönen Nordseeinseln baden, und wo auch Ihr Körper das Wasser streicht, leuchtet es in kleinsten Punkten hell und weiß, für endlos lange Bruchteile einer Sekunde. Manchmal kann man es auch zwischen den Fingern zerreiben, dieses lichtmachende Etwas. Faszinierend.

Unerklärlich? Ein Blick in das Lexikon soll Aufklärung bringen über physikalische Annäherungen an das Phänomen. Aber wer hat noch ein 22bändiges Lexikon im Haus? Ist im Zeitalter der Computer ja auch ein überholtes Medium, so ein dickes Lexikon. Viel preiswerter und kleiner sind die Lexika auf CD-Rom, eine Scheibe und das ganze Wissen ist darauf. Etwa die berühmte Enzyclopedia Britannica, zig Bände, tausende von Mark, die CD-Rom kann man für ca. 600 Mark in der Jackentasche nach Hause tragen. Nur: Was heißt Meeresleuchten auf englisch, zum Beispiel? Dafür braucht man dann doch ein dickes Englisch-Wörterbuch, und für die Übersetzung des englischen Lexikon-Textes einen Übersetzer.

Wer's deutsch mag, dem springen die bunten Lexi-Kartons ins Auge. Etwa das von „Data Becker“für schlappe 50 Mark. Der Inhalt dieses Lexikons ist aber recht dürftig, es geht über Allgemeinbildung nicht hinaus, und die wird zum Teil in zumindest bizarren Begriffen serviert. Unter „Folgen des ersten Weltkrieges“lernen wir sogar: Das „Diktat von Versailles“. Nicht einmal für SchülerInnen ist sowas empfehlenswert.

Auf einer eigenen CD-Rom sind dafür Film-Szenen der Geschichte beigefügt. Da kann man mal richtig Kennedys „Ich bin ein Berliner“im O-Ton sehen und hören, aber nur eine halbe Sekunde lang und dann kommt schon der nächste Clip. Wer sich daran begeistern kann, ein schlichtes Buch als 3-D-Modell zu drehen, wird seine Freude haben.

Bertelsmanns „Discovery – das große Universallexikon“ist da schon etwas anspruchsvoller. Volltextsuche ist möglich, eine gute Einführung hilft, mit den vielfältigen Möglichkeiten der Suche und der Querverweise umzugehen. Überflüssigerweise ist eine ganze CD-Rom „Weltatlas“beigelegt –ohne Zoom-Möglichkeit. Jeder Schulatlas leistet bessere Dienste. Information zum Stichwort Bremen: „Sehr sehenswert“. Punkt, Ende, kein Wort mehr. Auch die „Zeitleiste“, ein Ritt durch die Weltgeschichte mit weniger als 200 Stichworten, bringt keine Erleuchtung.

Das anspruchsvollste und mit 300 Mark teuerste dieser Art Lexika ist Microsofts „Encarta 98“. Beim Installieren geht es dann aber los. Reicht der Bildschirm für die 3-D-Programme, reicht die Soundkarte? Wer im Supermarkt den schön verpackten großen Karton mitnimmt, mit viel Luft drin und einer kleinen CD-Rom, der könnte bald zu Hause am PC ratlos dasitzen und fluchen – Beratung ist manchmal doch ihr Geld wert.

Über unser „Meeresleuchten“bietet das Lexikon einige Sätze Erklärung, immerhin, aber das, was man da am Nordseestrand erleben kann, ist doch nicht so richtig erklärt. Und das erwartet man doch eigentlich von einem Lexikon: Weiterzuhelfen gerade da, wo man nicht mehr weiter weiß. Und wer, zum Beispiel, etwas über „Brinkhoffs“Bier wissen will, sucht in allen diesen Lexika vergebens. CD-Rom-Lexika sind eben Lexitainment, wenn sie gut sind, eine Gelegenheit, assoziierend im Wissen der Welt zu stöbern, unterhaltsam und bunt.

Wobei die „Encarta 98“das ausgereifteste der CD-Lexika ist. Spaß macht es, Themen und ihren Querverweisen nachzustöbern, wenn man einfach Zeit und Lust hat, eine kleine Wissens-Reise anzutreten.

Man sollte sich allerdings nicht von den bunten Kartons täuschen lassen und „Lexitainment“nur in Läden kaufen, wo sie auch vorgeführt werden! K.W.

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