■ Hinterbank: Wo Abgeordnete trinken
Einer bleibt immer auf der Strecke. Vor kurzem traf es die PDS. Seit langem schon begießt der harte Kern der Opposition die parlamentarischen Mühen der Ebene in der Pizzeria Romagna in der Stresemannstraße. Mit „Ali“, dem ägyptischen Inhaber der Pizzeria, sind die mit dem Multikulti-Milieu bestens vertrauten Abgeordneten „per du“, der Wein kommt schnell, das Bier fließt in Strömen, und so hat man sich mit der Zeit gewisse Sitzrechte erworben. Im Sommer freilich, verrät die PDS-Abgeordnete Eva Müller, sei das Verhältnis ihrer Fraktion zu „Ali“ einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt worden.
Der Grund: Als die demokratischen Sozialisten ihre Stammplätze einnehmen wollten, waren die schon besetzt: von den christlichen Demokraten, allen voran deren Frontmann Klaus Landowsky. „Und das“, so Müller, „obwohl die sonst immer beim Yuppie-Italiener, im Vivaldi, sitzen.“
Hätte die PDS solcherlei Affront früher noch als antidemokratische Böswilligkeit gewertet, trugen sie den Kampf um die Biertischhoheit diesmal ganz gelassen. Nicht einmal, als ihnen auch noch die Bündnisgrünen auf die Pelle rückten, war die sozialistische Kneipenfraktion um Harald Wolf, Eva Müller oder Uwe Döring aus der Ruhe zu bringen. Warum auch? Auch die Grünen wollten die PDS nicht ausgrenzen, sondern mußten sich nur eine neue Kneipe suchen, nachdem ihr Stamm- Mexikaner dichtmachen mußte. Daß das Romagna nicht einmal erste bündnisgrüne Wahl war, bestätigt Sozialexperte Michael Haberkorn. „Wir schrammeln so durch die Gegend, aber am Ende bleibt nur die Pizzeria Romagna. Da ist das Essen zwar schlecht, aber billig. Ganz im Gegensatz zum Vivaldi.“
„Recht preiswert“ findet dagegen der SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller das Vivaldi. „Außerdem“, so Stadtmüller, „habe ich mit Grünen wie Wachsmuth oder Wieland da auch schon gesessen.“ Ganz freimütig räumt Stadtmüller denn auch ein, daß das Vivaldi zur Sozi-Stammkneipe avanciert sei. „Aber nicht wegen der CDU.“ Zwar sitzt auch Landowsky noch oft im Vivaldi, aber zu Verbrüderungen komme es nicht, so Stadtmüller. „Das entspricht ganz dem Klima der Großen Koalition.“ Aber vielleicht geht es mit der bald zu Ende. Schon hat Stadtmüller einen Geheimtip, den „Aufbruch“ in der Köthener Straße. Eine Kneipe, von der auch Haberkorn schon gehört hat. Uwe Rada
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