: Auch Herlitz muß Tarifvertrag einhalten
■ Bundesarbeitsgericht verurteilt Konzern, Arbeiter freien Samstagnachmittag zu gewähren
Weil Andrew Schlüter Samstagsarbeit nach 14 Uhr verweigerte und sich dabei auf den geltenden Tarifvertrag bezog, hatte ihn sein Arbeitgeber Herlitz von Tegel in das Werk Falkensee versetzt. Nach einem zweijährigen Rechtsstreit machte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Kassel diese Strafversetzung nun rückgängig. Schlüter hatte die Beschäftigung am alten Arbeitsplatz zu tarifvertraglichen Bedingungen eingeklagt.
In seiner Urteilsverkündung am vergangenen Donnerstag lehnte der 2. Senat die Revisionsklage des Büroartikelherstellers Herlitz ab, nachdem sich bereits das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin zugunsten des Beschäftigten ausgesprochen hatte. Die notwendige Einhaltung von Tarifrechten wurde von den Richtern bestätigt. Zugleich wurde die ausgesprochene Änderungskündigung Schlüters durch Herlitz für unwirksam erklärt. Damit kann der Beschäftigte seine Tätigkeit am früheren Arbeitsplatz unter Tarifbedingungen wieder aufnehmen.
Entgegen dem geltenden Tarifvertrag mit der IG Medien, wonach Samstagsarbeit in diesem Bereich nur bis 14 Uhr möglich ist, führte der Herlitz-Konzern in der Abteilung Spritzguß in Berlin-Tegel im September 1995 Samstagsarbeit rund um die Uhr ein. Unter Kündigungsdrohung erreichte die Geschäftsleitung von 19 Beschäftigten einzelvertragliche Unterschriften zu Arbeitszeiten entgegen dem Tarifvertrag. Die IG Medien erstattete damals Anzeige wegen Nötigung. Andrew Schlüter, verweigerte bis zuletzt die Unterschrift und wurde deshalb in das Zweigwerk Falkensee zwangsversetzt. Die Firma richtete dort eigens einen Arbeitsplatz unter „Isolationsbedingungen“ ein, so Schlüter. „Um die Maschine herum wurde Material aufgestapelt“, beklagte er vor Gericht.
Der Senat lehnte auch die Auffassung der Beklagten ab, wonach bei dem erweiterten Arbeitszeitmodell das sogenannte Günstigkeitsprinzip in Betracht käme. Für die Beschäftigten, so Herlitz-Anwalt Otto, sei diese Arbeit günstiger, da ansonsten die Schließung der Abteilung drohe. Das Gericht bestätigte dazu die Aussagen des LAG, dessen Richter betonten, „mit diesem Totschlag-Argument wäre alles erlaubt“.
Für den verantwortlichen Justitiar im Hauptvorstand der IG Medien, Platow, hat das Urteil grundlegende Bedeutung. „Was sollen Beschäftigte sonst in einer Gewerkschaft, wenn sie die erreichten Tarifrechte nicht in Anspruch nehmen können?“ Wolfgang Dürr
(AZ: 2 AZR 709/96)
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