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Borneske Blutwelpenbrut

■ „Faken macht süchtig!“ – nun sind auch bayerische „Tatort“-Macher angefixt und liefern den Krimi zum Thema Born (So., 20.15 Uhr, ARD)

„I kann des goa net o'schaun“ (Schaulustige nach einem Autobahnunfall im BR-„Tatort“)

Am Sonntag feiert der Bayerische Rundfunk Michael Borns „Bergfest“ mit einem Tatort: Fast auf den Tag zwei Jahre nach der Verhaftung des Fernsehfälschers – und pünktlich zur Halbzeit seiner Haft – gibt's nun den Tatort zum Thema Fernsehfälschung.

Nun ist das mit der Fake-Aufklärung so eine Sache: Erstens glaubt man bei Zuschauers daheim längst nicht mehr alles, was einem entgegengesendet wird; und zweitens läßt sich in gut anderthalb Stunden vielleicht ein prima Fake unterbringen – für eine Annäherung an die komplexen Beweis- und Schuldgeflechte rund um gefälschte TV-Beiträge aber brauchte selbst das Stuttgarter Landgericht im letzten Jahr gut anderthalb Jahre.

Weil aber die BR-Produktion darüber hinaus auch noch Krimi (also moralisch) sein wollte, hätte das Drehbuch schon über viel Raffinesse verfügen müssen, damit ein handwerklich passabler „Tatort“ wie „Bluthunde“ unterhaltsamer (und lehrreicher) geworden wäre als ein handwerklich miserabler Fake wie Borns „Drogenkröte“.

Doch wollen in „Bluthunde“ (geschrieben von Norbert Ehry, inszeniert von „Tatort“-Miterfinder Peter Schulze-Rohr) Fake-Thematik und mordkommissionarische Arbeit nicht so recht zusammengehen. Da müssen schon ecstasybedröhnte Jugendliche der Spaßgeneration „Faken macht süchtig!“ schnoddern, damit die Hauptkommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr ermitteln und die böse (Medien-)Welt wieder ein Stück gut machen können.

So gut wie das Herz unter der rauhen Schale des alternden Videoreporters Henrik Graf zum Beispiel. Der ist nicht nur ein alter Spezi vom Batic; er ist auch dicklich, bärtig, trinkfreudig, fleißig und – ebenfalls ganz Born – am Ende viel zu moralisch fürs Geschäft. Nur hie und da wird auch von ihm mal ein Beitrag „aufgehottet“, na und?

Er ist halt ein Bluthund alter Schule, dieser Graf. Aber wenn er mit Vollgas und Videoequipment zum Ort des Geschehens brettert, ist die Blutwelpenbrut mit ihrer Handycam immer schon vor ihm da. „Kein Wunder, diese Youngster haben das mehr oder minder spektakuläre Geschehnis schließlich selbst inszeniert“, wird der Zuschauer da sagen. „Ui, ui ui, so geht das also zu im privaten Fernsehen!“ sagt bestimmt keiner.

Immerhin: Im Gegensatz zur MDR-Produktion „Das 11. Gebot“, der nächsten öffentlich- selbstgerechtlichen Privat-TV- Schmähung (7.1.98), arbeiten die Amateurfälscher beim BR bloß für den fiktiven Lokalsender „Isar-TV“. Der ist eine Art Familienbetrieb, und daher behält man wenigstens den Überblick.

Und wenn die gestandenen BR- Kriminalen beim Showdown vor den laufenden Kameras derart dilettantisch herumhampeln, als wären sie dort angestellt, ist man fast geneigt, diese stümperhaften Szenen für eine leidliche „Tatort“-Fälschung zu halten. Christoph Schultheis

PS: Am Montag geben „Die Drei Kriminalen“ Miro Nemec, Udo Wachtveitl und Michael Fitz im Müncher Schlachthof ein Benefizkonzert. (Karten unter (089) 765448)

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