: Suizidgefahr bei Abschiebung
„Ausgeprägte Depression nach Folter“bescheinigen ihm Ärzte. Dennoch will die Ausländerbehörde einen Iraner abschieben ■ Von Elke Spanner
Es gibt Dokumente, die sollen das Papier nicht wert sein, auf dem sie geschrieben sind. Geht es um das Bleiberecht von AusländerInnen, so entscheidet die Ausländerbehörde gern selbst, welchen Papieren sie Glauben schenkt und welchen nicht. Der Iraner Abbas Joshaghanian hat mittlerweile sechs ärztliche Atteste vorgelegt, die ihm eine schwere psychische Erkrankung und die dadurch bedingte Reiseunfähigkeit attestieren. Doch was sind sechs Gutachten wert, wenn ein einzelner Amtsarzt anderer Ansicht ist? „Im Gutachten des Amtsarztes ist von Reiseunfähigkeit keine Rede“, sagt Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde. Deshalb will die Behörde Joshaghanian abschieben.
Die psychische Erkrankung Joshaghanians geht auf seine Erlebnisse im Iran zurück. Dort war der gelernte Kaufmann bei den Volksmudjaheddin, unterstützte die Oppositionellen finanziell, versteckte seine Schwestern, als sie wegen ihrer politischen Aktivitäten gesucht wurden. Vier seiner Angehörigen wurden hingerichtet. Auch Joshaghanian war im Gefängnis. Bei einer Rückkehr in den Iran, so befürchtet er, erwartet ihn der Tod.
Joshaghanians Aylantrag wurde aus formellen Gründen abgelehnt. Der Ausreise, darin sind sich seine behandelnden ÄrztInnen einig, steht jedoch seine Erkrankung entgegen. „Ausgeprägte Depression nach Folter im Iran“lautet die Diagnose des Nervenarztes Peter Halama. Und er mahnt die Ausländerbehörde: „Suizidgefahr bei Abschiebung.“Auch der Oberarzt der Psychiatrie des evangelischen Krankenhauses Alsterdorf, Doktor Showghi, bescheinigte der Ausländerbehörde, Joshaghanian leide an einer „schweren depressiv suizidalen Erkrankung“. Und der Arzt und Psychotherapeut Volker Friedrich erklärte, Joshaghanian sei „ohne Zweifel krank, nicht reisefähig und im Fall seiner Abschiebung in seinem Leben bedroht“. All das beeindruckte die Behörde nicht. Denn der von ihr eingesetzte Amtsarzt fand keinerlei Bedenken gegen die Reisefähigkeit. Er regte lediglich an, Joshaghanian in Begleitung abzuschieben und im Iran in eine psychiatrische Klinik einweisen zu lassen – „zur Feststellung möglicher Suizidalität“.
Das amtsärztliche Attest ist inzwischen eineinhalb Jahre alt. Seither mußte Joshaghanian nicht nur kontinuierlich psychiatrisch behandelt werden, sondern verbrachte auch sechs Wochen im Krankenhaus, nachdem er im Oktober versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Dennoch bedurfte es einer weiteren Intervention des psychiatrischen Oberarztes des Klinikums Alsterdorf, ehe die Ausländerbehörde entschied, zumindest ein zweites Mal ihren Amtsarzt einzuschalten.
„Die Fälle, in denen die Ausländerbehörde ärztliche Atteste über eine Reiseunfähigkeit ignoriert, häufen sich“, sorgt sich Anne Harms von der kirchlichen Beratungsstelle „Fluchtpunkt“. Sie hält es für „sicher wie das Amen in der Kirche, daß Joshaghanian tot ist, wenn er in den Iran zurück muß“. Auch in Deutschland engagierte sich Joshaghanian für die Volksmudjaheddin. Seine politischen Überzeugungen stehen ihm zudem irreversibel auf den Leib geschrieben: Auf seinen Oberarm hat Joshaghanian das Konterfei des Mudjaheddin-Führers Masud Radjani tätowiert.
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