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Radioaktive Verseuchung bei Nukem

■ Wenigstens neun Ex-Mitarbeiter der Hanauer Atomfirma Nukem sind an Krebs erkrankt. Ein Arbeiter ist bereits gestorben

Berlin (taz) – 15 Beschäftigte der Hanauer Atomfirma Nukem sollen innerhalb von nur wenigen Jahren die zulässige Lebensdosis an Radioaktivität abbekommen und dennoch weitergearbeitet haben. Das meldet heute das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Bereits 1991 war der ehemalige Nukem-Mitarbeiter Franz Ferstl an Krebs gestorben. Mindestens acht der Betroffenen seien inzwischen, wie Ferstl, an Krebs erkrankt.

Ferstl ist bislang das einzige Strahlenopfer, dessen tödliche Krankheit von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie nach seinem Tod als Berufskrankheit anerkannt wurde (die taz berichtete). 1995 hatten verschiedene Gutachter die Gewebeproben des Verstorbenen ausgewertet. Danach waren sie zu dem Schluß gekommen, daß die multiple Krebserkrankung von Ferstl „mit großer Wahrscheinlichkeit“ durch eine extrem hohe Strahlenbelastung in den Jahren 1975 und 1979 verursacht worden sei. Ferstl arbeitete damals in einer Abteilung der Nukem, in der Uranhexafluorid in Uranmetall umgewandelt wurde. Nach seinem Tod gab Nukem zu, Ferstl sei 1976 mit dem 28fachen der zulässigen Lebenszeitdosis verstrahlt worden.

Offenbar hat es in dieser Zeit Stör- oder Unfälle bei Nukem gegeben, die von dem Unternehmen nicht den zuständigen Aufsichtsbehörden gemeldet worden waren. Möglicherweise haben die Behörden die Vorfälle auch mit vertuscht. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) jedenfalls hat inzwischen Strafanzeige gegen Verantwortliche der Nukem GmbH und gegen eventuell Mitverantwortliche der zuständigen Genehmigungs- und Überwachungsbehörde erstattet.

„Empört“ war BBU-Vorstandsmitglied Eduard Bernhard gestern auch, weil ein Brief der Witwe von Ferstl an das grüne hessische Umweltministerium 15 Monate lang unbeantwortet liegen blieb. In dem Brief hatte die selbst an Krebs erkrankte Lili Loesche- Ferstl, die inzwischen gestorben ist, um Unterstützung gebeten. kpk

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