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Spekulativer Leerstand künftig erleichtert

■ Baustadträte protestieren gegen die Pläne der Großen Koalition, das Zweckentfremdungsverbot zu lockern. Nach dem Willen des Bausenators sollen Wohnungen sechs, im Falle eines Verkaufs sogar neun

Gegen die Pläne der Großen Koalition, das Zweckentfremdungsverbot von Wohnungen erheblich zu lockern, regt sich Protest aus den Bezirken. Der Tiergartener Baustadtrat Horst Porath (SPD) kritisierte, daß Bausenator Jürgen Klemann (CDU) „Spekulanten Tür und Tor öffnen“ wolle.

Dorothee Dubrau, bündnisgrüne Baustadträtin in Prenzlauer Berg, monierte, daß nach der neuen Verordnung selbst der mühsam errungene 20prozentige Wohnanteil in der City-Ost wieder in Büroraum umgewandelt werden dürfe. Der Grund: In sogenannten städtebaulichen Kerngebieten soll Zweckentfremdung von Wohnraum laut Entwurf grundsätzlich zulässig sein. Nach dem der taz vorliegenden neuesten Entwurf für die dritte Novelle der Zweckentfremdungsverbots-Verordnung will Bausenator Klemann das in Berlin generell geltende Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – also Umnutzung, Leerstand oder Abriß – den veränderten Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt angepaßt werden. Dazu gehört nicht nur eine Herabsetzung der Ausgleichszahlungen etwa für Arztpraxen in den Wohnungen der Plattenbauten, sondern auch eine Lockerung der Genehmigung für Wohnungsleerstand. Künftig sollen Wohnungen statt bislang drei nun sechs Monate genehmigungsfrei leerstehen dürfen. Im Falle einer geplanten Privatisierung soll der Wohnungsleerstand sogar neun Monate betragen dürfen.

Außerdem, so heißt es aus der Bauverwaltung, sollte künftig nicht mehr ein Drittel, sondern die Hälfte einer Wohnung gewerblich genutzt werden dürfen, ohne daß dies einer besonderen Genehmigung bedürfe. Damit sollten Existenzgründern geholfen werden, die ihr Büro in den eigenen vier Wänden einrichten.

Die Koalitionsparteien SPD und CDU begründen die Änderung, die noch vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden muß und zum 1. März oder 1. April in Kraft treten soll, mit dem angeblichen Ende der Wohnungsnot und wachsenden Leerständen, vor allem in den Erd- und Dachgeschoßwohnungen.

Die Kritik der Baustadträte richtet sich vor allem gegen die erhöhten Leerstandsfristen. „Vor allem in den Sanierungsgebieten gibt es spekulativen Leerstand“, erklärte Mittes Baustadträtin Karin Baumert (PDS-Mandat). Dazu gehörten vor allem preiswerte Wohnungen, die nicht mehr vermietet werden, um sie später teuer renovieren zu können. Außerdem gebe es in sanierten Wohnungen und im Neubau Leerstände, weil die Eigentümer nicht von ihren überhöhten Mieterwartungen ablassen wollten, so Baumert.

Dorothee Dubrau kritisiert darüber hinaus, daß sämtliche Inhalte der neuen Verordnung in Verwaltungsvorschriften geregelt seien. „Wenn die Verordnung einmal vom Abgeordnetenhaus verabschiedet ist“, so Dubrau, „kann die Bauverwaltung anschließend jede weitere Änderung ohne parlamentarische Zustimmung verändern.“

Dies monieren auch die Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus. „Das Parlament wird immer weiter entmachtet“, sagt Grünen-Sprecher Mattias Tang. Außerdem, so Tang, könne von einer Entlastung des Wohnungsmarkts nicht gesprochen werden. Gerade an preiswerten Wohnungen herrsche nach wie vor Mangel. Uwe Rada

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