: Kohl stellt sich vor die Truppe
■ Bundeskanzler Kohl nimmt Bundeswehr vor pauschaler Kritik in Schutz. Streit zwischen Verteidigungsministerium und Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis
Sarajevo/Kiel (AP) – Bundeskanzler Helmut Kohl hat die Bundeswehr vor ungerechtfertigter Kritik im Zusammenhang mit neonazistischen Vorfällen in Schutz genommen. Bei einem Besuch bei deutschen SFOR-Einheiten sagte er gestern in Sarajevo, gegen die rechtsextremistischen Vorgänge müsse man zwar mit allen Mitteln vorgehen, doch dürfe die Bundeswehr als Ganzes nicht diskreditiert werden. Kohl unterstrich, daß die Bundesregierung den Auslandseinsatz in Bosnien zusammen mit ihren Partnern solange fortsetzen werde, bis ein friedliches Miteinander der Menschen möglich sei. Ein Datum nannte er nicht. Erst müßten der Aufbau des Landes, die Rückkehr der Flüchtlinge und ein sicherer Frieden gewährleistet sein. Wegen der Nazi-Vorwürfe übte Kohl Medienschelte. „Nicht alle“ hätten „in guter Absicht“ berichtet. Die Vorkommnisse seien in keiner Weise zu beschönigen, und es dürfe niemand geschont werden. Man dürfe aber auch nicht dulden, „daß solche Vorgänge verallgemeinernd auf die gesamte Bundeswehr ausgedehnt werden.“
Unterdessen führte der Umgang der Bundeswehr mit rechtsextremistischen Vorfällen zu einem Streit zwischen Schleswig- Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis und dem Verteidigungsministerium. Die SPD-Politikerin sagte gestern in Kiel, statt öffentlich mit der Androhung rechtlicher Schritte abzuschrecken, solle die Bundeswehrführung besser alles dafür tun, das Vertrauen der Soldaten zu gewinnen, die den rechten Spuk in ihren Reihen nicht dulden wollten. Hintergrund ist die Erklärung des Soldaten Christian Krause, der Soldaten seiner Ausbildungseinheit rechtsextremistisches Verhalten vorgeworfen hatte. Die Bundeswehr hatte nach einer Untersuchung die Vorwürfe des Wehrpflichtigen, dem Sohn des früheren Bundesverkehrsministers Günther Krause, als falsch zurückgewiesen. Zugleich wurden Krause, der zum Jahresende ausscheidet, rechtliche Schritte angedroht. Das Verteidigungsministerium hielt Simonis vor, sie habe den Gesamtvorgang nicht verstanden. Krause habe „in einer spektakulären Zeitungsaktion Kameraden Rechtsextremismus vorgeworfen“. Diese Vorwürfe hätten sich nach einer internen Prüfung als unbegründet herausgestellt.
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