■ Keine direkte Rente für osteuropäische Holocaust-Überlebende: Zementiertes Geschichtsbild
Die Opfer des Nationalsozialismus sind die SS-Veteranen. Näheres regelt das Bundesversorgungsgesetz. Wer nicht explizit als Kriegsverbrecher erkannt und verurteilt wurde, wem nicht nachgewiesen werden konnte, daß er beispielsweise für Erschießungen von Juden in Konzentrationslagern Verantwortung trägt, der hat einen gesetzlich verbürgten Anspruch auf eine Opferrente durch den deutschen Staat – als Entschädigung für erlittene Kriegsverletzungen. Dies gilt auch für SS-Veteranen in Osteuropa. Juden in Osteuropa dagegen, die den Erschießungen und der Vernichtung in den KZs entkommen sind, haben keinen Anspruch auf eine Opferrente. Sie warten auch heute noch – 53 Jahre nach der Befreiung – auf eine Entschädigung.
Die Bundesregierung zementiert mit ihrem Taktieren um die Entschädigung osteuropäischer Holocaust-Überlebender nicht nur die gültige Rechtsauffassung, sondern auch ihr Geschichtsbild. Ehemalige SS-Männer erhalten regelmäßige Zahlungen, da ihre Schuld individuell nachgewiesen werden muß. Bei ihnen zählt das einzelne Schicksal. Bei den Holocaust- Überlebenden indes weigert sich die Bundesregierung hartnäckig, sie als Einzelpersönlichkeiten anzuerkennen. Zwar steht eine Entschädigung aufgrund massiven öffentlichen Drucks kurz vor der Verabschiedung, doch mit vertrackten Winkelzügen versuchen das Kanzleramt und das Finanzministerium durchzusetzen, daß Bonn keine direkten Rentenzahlungen leisten wird.
Darin liegt auch der eigentliche Knackpunkt der Verhandlungen um eine Entschädigung für die Holocaust-Opfer: Die Juden Osteuropas werden als anonyme Gruppe, als gesichts- und geschichtslose Opfer kategorisiert. Auch mit dem jetzt in Reichweite gerückten Modell, den Überlebenden durch die Jewish Claims Conference individuelle Zahlungen zuzugestehen, geht die Bundesregierung ihren Weg konsequent weiter. Die Claims Conference, die Vertretung jüdischer Interessen, darf sich der individuellen Geschicke annehmen, die Bundesrepublik erspart sich das und bleibt „vornehm“ im Hintergrund. Dabei mögen die finanziellen Argumente Bonns (auch nicht-jüdische Opfer könnten dann massenweise individuelle Entschädigung fordern) tatsächlich eine Rolle spielen, denn solange man einer besonderen Gruppe stiftet, kann kein Rechtsanspruch für andere abgeleitet werden. Doch hinter dieser zynischen fiskalischen Betrachtungsweise verbirgt sich eben auch die zwanghafte Distanzierung von den Opfern. Barbara Junge
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