piwik no script img

Russischer Boden wird privat

■ Der Widerstand der russischen Kommunisten gegen jeden privaten Landbesitz ist gebrochen. Binnen dreier Monate soll jetzt ein Kompromiß für ein neues Landgesetz erarbeitet werden

Moskau (dpa/rtr) – Die russischen Kommunisten haben bei Gesprächen am sogenannten Runden Tisch mit Präsident Boris Jelzin ihren prinzipiellen Widerstand gegen privaten Landbesitz aufgegeben. Parlaments- und Regierungsvertreter hätten sich gestern bei den Gesprächen im Moskauer Kreml auf einen staatlich streng kontrollierten Handel mit Agrarland geeinigt, sagte Sergej Schachrai, der Sekretär des Runden Tisches, nach dem Treffen. Eine Kommission solle binnen dreier Monate einen Kompromißentwurf für das umstrittene Landgesetz ausarbeiten, meldete die Nachrichtenagentur Interfax.

Jelzin sprach sich erneut für privaten Landbesitz aus. Der Staat müsse jedoch vor allem den Verkauf von Agrarland streng überwachen. Ausländer sollten gänzlich vom Kauf landwirtschaftlicher Nutzflächen ausgeschlossen bleiben.

Das von Kommunisten und Nationalisten beherrschte Parlament blockiert seit Jahren die Zulassung privaten Grundeigentums. Besonders heftig ist der Widerstand bei der Privatisierung von Agrarland. Am Runden Tisch nahmen Regierungschef Viktor Tschernomyrdin sowie führende Vertreter des Parlaments und wichtiger politischer Parteien teil. Es war das erste Treffen dieser Art.

Jelzin räumte gestern ein, daß die Reformen der russischen Wirtschaft in diesem Jahr kaum vorangekommen seien. „Für die Mehrheit ist heute offensichtlich: Es gibt wenig sichtbare Erfolge“, sagte Jelzin in einer Rundfunkansprache und kündigte an: „Wir werden Fehler korrigieren und die nötigen Konsequenzen ziehen“ – was sofort Anlaß für Gerüchte über eine mögliche Kabinettsumbildung gab, etwa um einen möglichen Rücktritt des bei der Opposition verhaßten Reformers Anatoli Tschubais (42).

Als weiteres Zeichen der Kompromißbereitschaft hatte das russische Parlament am Donnerstag den Haushalt für 1998 auch in zweiter Lesung gebilligt. Der Etat muß insgesamt vier Lesungen passieren. Wegen der internationalen Börsen- und Finanzkrise und der schwierigen Haushaltslage dringt die Regierung als Signal der Stabilität auf eine schnelle Verabschiedung des Budgets. Die dritte Lesung ist am 23. Januar geplant.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen