: Linda de Mol: „Man kann nichts ... Vernünftiges dazu sagen.“
■ Dr. Blohm und Herr Voss untersuchen die neue RTL-Gameshow „Hausfieber“. Dafür nehmen die beiden Punk-Verwöhnten echte Volksmusikbeschallung, vereiste Bustoiletten und ihr leibhafiges Erscheinen im Fernsehen in Kauf.
Kein Weg ist zu weit, nichts zu blöd und keine Gästelistenanfrage zu abwegig, wenn die beiden taz-Spezialagenten eine kulturell heiße Spur verfolgen. Auf Einladung des Bremer Reisebüros „suchen + buchen“fuhren Dr. Blohm und Herr Voss im Vorweihnachts-Verkehr mit einem Reisebus und 45 Linda de Mol-Fans ins holländische Hilversum, um einer Aufzeichnung für die neue RTL-Gameshow „Hausfieber“beizuwohnen.
Dr. Blohm: Sie sind ja gut vorbereitet, Voss! Thermoskanne, geschmierte Brötchen, dicke Mütze, Trivial-Literatur, man möchte meinen, sie wohnen noch bei Ihrer Mutter!
Herr Voss: Ich hatte genug Zeit als ich auf Sie gewartet habe. Durch Ihre Trödelei waren wir auch noch verspätet am Abreisetreffpunkt und sahen vor unseren Mitreisenden wie Idioten aus.
Jetzt wissen alle, daß wir von der Presse sind.
Blohm: Dadurch hatten wir mal Gelegenheit für ein wenig Abo-Werbung.
Herr Voss: Na, besonders überzeugend waren Sie ja nicht.
Blohm: Ich bin Wissenschaftler, kein Marktschreier. Die Leute gucken sowieso lieber Fernsehen.
An der deutsch-holländischen Grenze, Raststätte „Laxter Land“, Herrentoilette:
Blohm: Voss, nun beeilen Sie sich ein wenig! Nur wegen Ihrer Primanerblase mußten wir halten! Wir verlieren schon gehörig Zeit dadurch, daß wir über die Dörfer fahren müssen, um dem Stau auf der Autobahn auszuweichen.
Voss: Ich konnte nicht ahnen, daß die Bustoilette einfrieren würde.
Blohm: Es weht ein kalter Wind durch Deutschlands Bustoiletten. Im Winter nichts Ungewöhnliches.
Voss: Insgeheim sind Sie mir doch dankbar. Immerhin haben wir eine Pause von der Schlager- und Volksmusikbeschallung im Fernreisebus.
Blohm: Fürwahr! Wenn ich noch einmal „Oh lala, volles Rohr und Halleluja“oder „Die schönsten Mädchen heißen Gabi“hören muß, kann ich für nichts garantieren!
Voss: Und alles nur zur Erkundung der Fernsehwelt
Blohm: Ich gebe zu, Fernsehen ist nicht mein Metier. Ich sehe mir höchstens mal einen Spätfilm an, und manchmal sehe ich mir die Wiederholungen von „Ausgerechnet Alaska“an.
Voss: Aber die „Simpsons“beweisen, daß es Spaß machen kann, in einer Schrott-Kultur zu leben.
Blohm: Aber eine Cartoon-Serie....
Voss: Sehen Sie – Mediapark! Wir fahren auf das Gelände von „Endemol Entertainment“und „John de Mol Produkties“! Ist das nicht aufregend?
Blohm: Wir stoßen in das Herz der Finsternis vor wie Joseph Conrads Romanfigur. Der Horror, der Horror.
Voss: Ist das riesig hier! Und lauter Arbeitnehmer, die mit Fahrrädern zwischen den Gebäudekomplexen hin und her fahren. Es ist wie auf einem Hollywood-Studiogelände.
Blohm: Ich bin kein Experte, aber ich glaube, in Hollywood wird mit kleinen motorisierten Fahrzeugen, wie man sie vom Golfplatz kennt, von Halle zu Halle gefahren.
Voss: Die Fahrräder sind eben das Hollandspezifische.
Blohm: Wie sagte Frau de Mol gerade so richtig, man kann auch unter Stress-Situationen funktionieren, wenn die Kohle stimmt. Ich wußte, daß wir hier als Klatschvieh mißbraucht werden, aber ich wußte nicht, daß die Klatsch-Bilder auch in anderen Shows verwendet werden können.
Voss: Die meisten Leute aus dem Bus waren schon in anderen Shows und sehen auch eher gelangweilt aus.
Blohm: Ich hatte gedacht, daß der Nachfolger von „Traumhochzeit“etwas stilvoller sein würde. Ständig werden die Aufnahmen unterbrochen und das Publikum über Megaphon ruhiggehalten. Was ist jetzt wieder, wieso sind plötzlich so viele dicke Menschen auf der Bühne?
Voss: Dieses Spiel heißt „Hausaufgabe“. Die Kandidatenpaare mußten vor der Sendung zehn möglichst schwere Menschen verpflichten. In der ersten Runde wurden die Gewinner durch das Gesamtgewicht entschieden. Jetzt geht es um die Einzelwertung: Ein Paar schickt einen Dicken auf die Waage, und das andere Paar muß einen Dicken dagegensetzen, der noch schwerer ist.
Blohm: Aber das eine Paar verliert immer! Es sieht fast so aus, als würden sie die Dicksten absichtlich aussparen.
Voss: Jeder Dicke darf nur einmal genommen werden. Wenn die Gegenpartei einen auf die Waage stellt, der unmöglich zu toppen ist, ist es taktisch klüger, einen nicht so Dicken zu setzen, um noch ein paar in Reserve zu haben.
Blohm: Trotzdem stellt sich das eine Paar dumm an. Wenn es diese Runde auch noch verliert, ist das ganze Spiel verloren. Ich dachte, die wären hier, um das Haus abzu-sahnen. Jetzt müßten sie die kolossale Frau im Blümchenkleid nehmen, aber sie nehmen schon wieder so einen Hänfling. „Spiel ohne Grenzen“- DAS war eine Gameshow! „Dalli Dalli“! Diese Spiele sind läppisch. Viel technischer Aufwand für wenig Konzept. Sehen Sie, was jetzt passiert. Der Kandidat wird an einen Zahnarztstuhl gefesselt, und über seinem Auge wird eine Minikamera festgeschnallt, die ihm Buchstaben auf die Pupille wirft.
Sobald er blinzelt, bekommt seine Partnerin keine Hinweise mehr für das Lösungswort. Es ist wie in „Uhrwerk Orange“. Ich fühle mich langsam selbst wie auf der Folterbank. Was halten Sie davon, wenn wir die Zeit bis zur Heimreise im Foyer totschlagen?
Voss: Einen Moment noch. Jetzt wird ein großer Computer und ein Monitor aufgefahren. Als gelegentlicher Gamer interessiert mich, was jetzt kommt.
Blohm: Der Mann wird schon wieder gefoltert! Er muß mit seinen Füßen den Trackball bewegen, nicht unähnlich einem Hamster in einem Laufrad, und seine Partnerin manövriert ihn durch eine virtuelle Welt, die er nicht sehen kann.
Voss: Aber er steckt fest! Da muß ein Fehler im Programm sein!
Blohm: In der Tat, das Spiel wird unterbrochen. Na, das kann ja dauern...
Voss: Der Animateur Andy fordert uns zu einem Unterstützungsapplaus auf.
Blohm: Wie ging der noch mal?
Voss: Ich glaube mit Aufstehen.
Blohm: Wie beim Militär! Ich schlage vor, wir nutzen das Aufstehen, um unauffällig den Saal zu verlassen.
Voss: Ich bin dabei.
Draußen:
Voss: Andy war ja rührend besorgt, daß wir das Finale verpassen.
Blohm: Der war stinksauer, daß es jetzt zwei Lücken in den Zuschauerreihen gibt.
Voss: Was machen die denn jetzt ohne uns?!
Blohm: Raten Sie mal, warum wir vor der Show diese entwürdigenden Applausaufzeichnungen mitmachen mußten. Die sind auf alles vorbereitet. Für das Publikum zu Hause wird es sein, als wenn nichts gewesen wäre.
Voss: Aber das ist Betrug!
Blohm: Willkommen im Showgeschäft, Herr Voss!
Auch ihr Spezialthema: Biertheken wird kurz angerissen
Voss: Was mich mehr verunsichert, ist die völlige Abwesenheit von Biertheken in diesem Gebäude. Wurde uns nicht vollmundig versprochen, daß mindestens zwei Brauereien dieses Spektakel sponsern und man spätestens hinterher soviel trinken dürfe, wie man kann?
Blohm: Auch für mich war das ein Hauptgrund, an dieser Prüfung teilzunehmen. Aber hier steht nur ein Zigarettenautomat.
Voss: Dann hole ich mir Zigaretten.
Blohm: Sie rauchen doch gar nicht!
Voss: Aber irgend etwas muß ich zu tun haben! Das kann da drinnen noch ewig dauern!
Blohm: Haben Sie denn Gulden?
Voss: Nein, wieso?
Blohm: Wie wollen Sie dann Zigaretten ziehen?
Voss: Oh. Vieleicht ist das ein Argument für den Euro-Dollar!
Blohm: Da sind Menschen mit Kartons! Viele Kartons! Vielleicht gibt es Dosenbier!
Voss: Nein, es sind bloß Autogrammkarten von Linda de Mol.
Blohm: Und nicht mal handsigniert! Die Autogramme sind vorgedruckt! Was tun Sie da, Herr Voss?
Voss: Ich male meine Linda de Mol lustig an, mit Schnurrbart, Brille und Zahnlücke. Dann bekommt die Karte wenigstens einen Hauch von Persönlichkeit.
Blohm: Ich finde Ihr Verhalten überaus kindisch, aber ich verstehe Ihre Verbitterung.
Voss: Da kommt unser Fahrer, Thomas.
Blohm: Seiner Mine nach zu urteilen ist das Traumhaus wieder nicht gewonnen worden. Nicht mal ein Happy-End gönnen sie den Leuten.
Später:
Blohm: Die Polaroids Ihrer Spice Girls-Kamera sind eine Kunst für sich.
Voss: Sie hatten auch keine andere Kamera. Welches ist übrigens Ihr Lieblings-Spice-Girl, Dr. Blohm?
Blohm: Die Schwarze mit der Brille.
Voss: Also, das sagt wirklich jeder.
Blohm: Wir werden erst um 2.30 wieder in Bremen sein. Ich habe noch einen Pressetermin mit Punker-Ute.
Voss: Spielt die jetzt nicht Schlagzeug in einer Band namens „Schrott“.
Blohm: Der Gitarrist ist ein Paganini. Sie können gerne mitkommen.
Voss: Ich gucke lieber noch „Babylon 5“.
Blohm: Fernsehen ist primitiver als Punkrock je sein könnte.
Voss: Essen Sie Ihren Apfel nicht mehr?
Blohm: Nein, nehmen Sie nur. Ich habe eine Apfel-Phobie.
Voss: Am Lunch-Paket von de Mol-Produkties gibt es nichts auszusetzen.
Blohm: Ihr Gaumen ist wohl einiges gewohnt.
Voss: Haben Sie sich noch etwas aufgeschrieben?
Blohm: Ja ein Linda de Mol-Zitat: Das ist eine ernste Sache, man kann nichts Vernünftiges dazu sagen.
Fotos: Aus dem Album von Blohm und Voss / Ausschnitt aus einem Autogrammfoto
„Hausfieber“, die neue RTL-Gameshow, ist am 25.1. um 20.15 h im TV zu besichtigen
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