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„Die Munddusche ist eher schädlich“

■ Was tun, damit Zahnkaries auch morgen keine Chance hat? Stefan Zimmer, Oberarzt an der Zahnklinik der Berliner Charité, gibt Antwort

taz: Zweimal täglich Zähneputzen empfiehlt der Zahnarzt. Trotzdem haben die meisten von uns ein ramponiertes Gebiß. Was machen wir falsch?

Stefan Zimmer: Wenn die Leute sich die Zähne nur putzen würden. Wir empfehlen, alle ein bis zwei Monate die Zahnbürste zu wechseln. Das würde bedeuten, daß pro Kopf im Jahr wenigstens sechs Zahnbürsten gekauft werden müßten. In Wirklichkeit sind es aber nur 2,5. Also vom guten Putzen sind wir meilenweit entfernt.

Wer Zahnersatz braucht, ist daran also selbst schuld?

In keinem anderen europäischen Land geht Zahnersatz zu Lasten der gesetzlichen Versicherungen. In Ländern wie der Schweiz oder in Schweden etwa, wo Erwachsene für die Vorsorge selbst zuständig sind, haben die Leute auch gesündere Zähne. Bei uns gibt man die Eigenverantwortung mit dem Krankenschein beim Zahnarzt ab.

Haben die Schweden gesündere Zähne, weil sie häufer zur Bürste greifen?

Vor zwanzig Jahren war Schweden noch ein dentales Notstandsgebiet. Heute finden Sie Landstriche, wo bei Zwölfjährigen kein einziges Loch im Zahn ist. Die Schweden setzen auf Prophylaxe.

Wie sieht dies aus?

Eine gute Vorsorge fängt zu Hause an: mindestens zweimal täglich drei Minuten Zähneputzen. Eine normale Zahnbürste reicht aus. Mindestens dreimal wöchentlich sollte man Zahnseide benützen. Wer einmal in der Woche die Zähne mit Fluoridgelee bürstet, senkt das Kariesrisiko um bis zu 40 Prozent.

Munddusche und elektrische Zahnbürste ...

...braucht man nicht. Eine Munddusche spült die bakteriellen Beläge nicht fort. Wir halten die Munddusche eher für schädlich. Sie gibt nur subjektiv ein Gefühl von Sauberkeit. Die elektrische Zahnbürste putzt ungefähr so gut wie die Handzahnbürste. Das Geld für elektrische Geräte kann man effektiver in der professionellen Prophylaxe anlegen.

Also zum Zahnarzt tragen?

Die Individualprophylaxe besteht aus einem Programm, das etwa eine Stunde dauert. Mit speziellen Instrumentarien reinigen wir die Zähne rundum so gut, wie man dies zu Hause nicht machen kann. Das sind Bürsten und Gummikelche, mit denen wir alle Beläge perfekt entfernen. Es reicht in der Regel, wenn man zwei- bis viermal im Jahr diese Reinigung macht, denn die kariesverursachenden Bakterien brauchen eine ganze Weile, bis sie wieder richtig aggressiv sind.

Die Kosten dafür übernimmt demnächst die gesetzliche Kasse?

Die professionelle Zahnreinigung übernimmt sie nicht. Eine Sitzung bei uns kostet etwa 120 Mark. Aber mit diesem Programm kann man die Karies und den Zahnausfall, die Parodontitis, zu 90 Prozent verhindern.

Wer Kronen hat, braucht dieses Programm aber doch nicht?

Das ist ein totaler Irrglaube. Überkronte Zähne bergen ein hohes Risiko an der sogenannten Randkaries. Gold, Keramik oder Kunststoff läßt sich nie so exakt arbeiten, da entstehen winzige Zwischenräume, in denen sich die Karies einnisten kann. Ich habe schon Leute weinen sehen. Die hatten für 10.000 Mark Kronen im Gebiß, und darunter eine deftige Karies.

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